G´schichten ums Narrebomloch

Wer im Februar aus Nord- oder Ostdeutschland in den Südwesten reist, wundert sich gelegentlich, denn in jeder Ortschaft steht ein großer bunt geschmückter Nadelbaum, um den verkleidete Menschen tanzen. In der Region der „Schwäbisch-Alemannischen-Fasnacht“ ist das völlig normal, doch für den ein oder anderen „Fremdling“ mag es im ersten Moment verstörend wirken. Hier ist es schon lange Brauch, dass am „Schmotzigen Dunnschtig“ ein Stammbaum aller Narren aufgestellt wird. Jede Ortschaft hat da ihre eigene Tradition für diesen Nadelbaum in der Fünften Jahreszeit. Das beginnt beim Fällen im Wald und endet beim Umlegen am Ende der Fasnachtszeit. Während z.B. in Sipplingen der Baum bereits am Mittwoch vor dem Schmotzigen Dunnschtig geholt wird, holen die Häfler Holzer den Baum am frühen Morgen des Schmotzigen. Hierzu treffen sie sich beim Schmidde Willi an der Stockacher Straße und fahren gemeinsam mit dem Gemeindeförster in den Wald, um ein prachtvolles Exemplar auszusuchen und zu fällen. Anschließend wird er in die Bahnhofstraße gebracht, wo er gegen 14:00 Uhr von närrischen Kindern in Begleitung der Narrenzunft und Narrenmusik zum „Narrebomloch“ am Bodenseehotel Krone gezogen wird. Als Belohnung für ihre geleistete Arbeit bekommen die Kinder eine Wurst im Weckle. Für die Holzer geht die Arbeit jetzt richtig los. Sie bringen mit Hilfe von sogenannten „Schwalben“ den Baum von seiner waagrechten Stück für Stück in die senkrechte Position, bis er in voller Größe vor der Krone steht.

Die Häfler Holzer beim Stellen des Narrenbaums 2024, mit „Schwalben“ gesichert

Für die närrische Bevölkerung ist das der gewohnte Standort, doch der Baum stand nicht immer an dieser Stelle. In früheren Zeiten befand sich der Baum am Hotel Löwen, wo er durch den Mangel eines geeigneten Narrenbaumlochs, mit Seilen im dahinter liegenden Hotelzimmer befestiget war. Wann der Baum genau an die Krone umzog ist uns nicht bekannt. Vermutlich wurde das Narrenbaumloch um das Jahr 1966 durch Werner Heckeler und Roland Eßlinger an der Krone betoniert. Das war die Zeit, als Wilhelm Specht Narrenpräsident war, sowie die Poststraße, die St. Otmar Straße, der Kindergarten und das Gemeindezentrum, sowie das VIVO Einkaufszentrum gebaut wurden. Das närrische Zentrum verlagerte sich, etwas südlicher näher in die Dorfmitte. Mit dem immer stärker werdenden Verkehr und den damit verbundenen hohen Auflagen, wurde kürzlich entschieden, dass das neue „Narrenbaumloch“ auf den Vorplatz zwischen dem neuen Kindergarten, dem Gemeindezentrum und der Kath. Kirche entstehen soll. Also wieder etwas nördlicher und ganz auf Sichtweit zum alten Platz am Hotel Löwen. Um den örtlichen Narrenbaum und sein Narrenbaumloch ranken sich einige Geschichten.
Unter den Dörfern machten früher Neid und Missgunst während der Fasnachtszeit nicht halt und so wurde einiges an Schindluder getrieben. Eine Gruppe Sipplinger begab sich einst nach Ludwigshafen und wollte den Narrenbaum fällen. Zum Glück war dieser im Hotelzimmer so gut befestigt, dass nichts schlimmeres passierte. Diese Schmach ließen zwei Häfler nicht auf sich sitzen. So fuhren Peter und Herbert Beirer ein Jahr später nach Sipplingen und gaben der Baumwache großzügig Geld, um Bier zu holen. Während die Wache weg war fingen die beiden an den Baum zu zerlegen. Ob Sie ihn nur ansägten oder komplett durchtrennten, ist bis heute nicht einwandfrei überliefert. Nach dieser Aktion hat sich kein weiteres Dorf getraut unseren Baum auch nur schräg anzuschauen.

1983 feierte die Narrenzunft Seehasen ihr 100-Jähriges bestehen. Hierzu veranstaltete sie ein Freundschaftstreffen und zur Feier des Tages durfte die „Holzhauergilde Zoznegg“ den Narrenbaum an der Krone stellen. Mit den örtlichen Gegebenheiten wenig vertraut, kippte der Baum um und landetet auf dem Vordach des Einkaufszentrums. Die Baumspitze war gebrochen und so fing das Jubiläum ohne Narrenbaum an.
Der frühere Narrenpräsident „Cordo“ (Hermann) Beirer hat dieses Ereignis nicht mitbekommen, da er bei der damaligen Narrenmutter im Krankenhaus zu Besuch war. Nach dem Krankenbesuch fuhr er zurück und ging in sein Vereinslokal Krone. Dort angekommen hat er sich erbost gewundert, dass alle mit ernster Miene am Stammtisch saßen. Es sei doch Fasnet und Fröhlichkeit angesagt. Als Antwort kam die Frage, ob er den Narrenbaum gesehen habe? Jetzt durchfuhr es ihn wie ein Blitz, als er merkte, er hatte mitten auf dem verwaisten Narrenbaumloch geparkt.
Das Parken auf Narrenbaumlöchern hat in Ludwigshafen eine kleine Tradition. Manuel Dirnhofer ist einmal nach der Arbeit direkt zum Hemdgloncker nach Sipplingen gefahren um dort zu feiern. Als braver Häfler lies er sein Auto stehen und fuhr mit dem Taxi heim. Er feierte auch den gesamte Schmotzigen im Hafen mit. Als er am Fasnetsfreitag nach Sipplingen fuhr um sein Auto zu holen musste er feststellen, dass er den Sipplingern das Narrenbaumloch zuparkte und diese dadurch keinen Baum stellen konnten.

Die Holzer beim Fällen des Narrenbaums an der Stettelberger Relegatio.

Seit ein Paar Jahren hängt am Häfler Baum eine Puppe. Diese hängt dort nicht ohne Grund, denn es ist eine verwunschene Prinzessin die von den Häfler Holzern aus den Fängen von Ilwedritschten gerettet wurde. Leider schaffte es einer dieser Ilwedrischten die Prinzessin zu verzaubern und ihr letzter Wunsch war immer an der Häfler Fasnet teilnehmen zu dürfen. Wer die ganze Geschichte erfahren will muss am Fasnetsfreitag 2025 auf den Kinderball im Zollhaus im gehen.

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