Bruderschaft der Sieben Schmerzen Mariens zu Sernatingen

Die Anfänge religiöser Laiengemeinschaften datieren auf das 12. Jahrhundert, also in der Epoche des Hochmittelalters, als die soziale Entwicklung bürgerliche Siedlungen herausbildete, eine religiöse Erneuerungsbewegung entstand und das religiöse Leben durch Laien intensiviert wurde. Aus diesen Gemeinschaften entstanden viele Bruderschaften, häufig nach dem Motto „Miteinander und füreinander beten“.

Eine tiefgründige Frömmigkeit prägte auch das Leben der Menschen in den Dörfern des Hegaus im 18. Jahrhundert. Sernatingen, sowie alle anderen Dörfer oder Städte in der Umgebung, waren nach Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 annähernd zu 100% römisch-katholisch. Religiöse Bräuche und Rituale prägten das christliche Kalenderjahr.
Zu dieser Zeit war der Ablasshandel, wobei Gläubige Geld bezahlten, um Sünden erlassen zu bekommen, bereits durch Papst Pius V. im Konzil zu Trient (1545 – 1563) reformiert.
Es galt aber immer noch, dass durch Gebete und Andachten Sünden erlassen werden können. Auch göttlichen Beistand bei Krankheiten oder Hungersnöten erhoffte man sich.

In Sernatingen wurde am 28. Oktober 1726 – dem Tage der Apostel Simon und Judas – in hiesiger Pfarrkirche St. Otmar unter Pfarrer Franz Sebastian Breni, in Gegenwart von neun geistlichen Herren und einer überaus großen Menge Volkes, die Bruderschaft:
„Der Sieben Schmerzen Maria auf Gericht zu Sernatingen“ gegründet.


Diese Bruderschaft fand offenbar großen Anklang beim Volke, wie Aufzeichnungen in alten Kirchenbüchern von Sernatingen/Ludwigshafen darlegen. Bis Ende 1726 hatten sich bereits 310 Personen, darunter auch 40 Auswärtige, in die Bruderschaft aufnehmen lassen. Bis Ende 1731 waren es 736 Mitglieder. Gemessen an der damaligen Einwohnerzahl, war das eine phänomenale Anzahl.

1732 wurde die hiesige Bruderschaft in die „Erzbruderschaft Maria von den Sieben Schmerzen des heiligen Serviten-Ordens“ inkorporiert.
Bis 1738 waren 1.030 Personen eingeschrieben. Die Mitglieder kamen aus sämtlichen Ortschaften der Umgebung: Neben Sernatingen viele aus Sipplingen, Bonndorf, Bodman, Espasingen, eine beträchtliche Zahl Überlinger, Stockacher und aus dem Raum Pfullendorf. Es sind als Mitglieder auch eine Anzahl Franziskanerpater aus dem Konvent von Hödingen eingetragen.

Das Bruderschaftsfest sollte den Statuten nach immer am Freitag nach Mariä-Lichtmess gefeiert werden. Seit 1795 wurde dieses Fest aber immer am 3. Sonntag im September abgehalten, vermutlich weil das Wetter für die wichtige Prozession günstiger war.
Der Ablauf der Prozessionen, das sogenannte Titularfest, war klar geregelt. Je 7 Männer, Frauen und Jungfrauen trugen die 7 Schmerzensbilder (siehe unten). Vier Männer der Bruderschaft trugen den Prozessions-Himmel. Vier Jünglinge trugen ein „Ecce-homo“ Bild („Seht der Mensch!“ – Schaustellung des Herrn durch Pilatus). Vier Jungfrauen trugen die schmerzhafte Mutter Gottes.

Von Interesse ist auch, was hinsichtlich der seit dem Gründungsjahr gemachten Weinspenden vermerkt ist. So heißt es anno 1726: „Fast gar alle Gemeindeleute haben Wein abgegeben , zusammen 1.500 Liter“. Demzufolge kann davon ausgegangen werden, dass nach den Prozessionen sich jeweils noch ein eher „weltliches“ Fest an diesen Tagen anschloss.

Jahrzehntelang war die Bruderschaft fester Bestandteil der örtlichen Dorfgemeinschaft. 1831 wurde laut Aufzeichnungen das letzte Jahresfest durchgeführt. Durch den Kirchenreformer Ignaz Heinrich Karl Freiherr von Wessenberg wurden weitreichende Reformen im Sinne der aufgeklärten Theologie bestimmt. 1910 ist in den Kirchenbüchern durch den damaligen Pfarrer vermerkt:
„Von da an (1831) ist das Titularfest der 7 Schmerzen Bruderschaft nicht mehr gefeiert worden. Der Wessenbergische Geist hatte das Alte mit seinem kalten Hauch getötet.“

Von 1827 – 1855 existieren keine weiteren Einträge über die Aufnahme neuer Mitglieder. Dies wird seinen Grund wohl darin haben, dass Wessenberg, Bistumsverweser in Konstanz, alle Bruderschaften aufhob und nur noch eine einzige bestehen ließ, nämlich die „Bruderschaft von der Liebe Gottes und des Nächsten“. Die Bruderschaftsstiftungen sollten verweltlicht werden und wurden auch vielfach in Armenfonds umgewandelt.

Im Laufe der Zeit wurde mehrere Male versucht, die Bruderschaft in Sernatingen/Ludwigshafen neu zu beleben. Für 1855 ist belegt:
„Mit Freuden erteilen wir unsere oberhirtliche Genehmigung zur Wiederherstellung der Sieben Schmerzen Bruderschaft zu Ludwigshafen mit approbierten nebenstehenden Statuten unter der Bedingung, dass im §11 detailliert vorgegeben wird, unter welchen Bedingungen die Mitglieder eines vollkommenen und eines unvollkommenen Ablasses teilhaftig werden“.
(Freiburg, den 13. August 1855 – Hermann Erzbischof)

Es scheint, dass dieser Neuanfang nicht von langer Dauer war. Bereits 1910 wird durch den damaligen Pfarrer erneut vorgeschlagen, die Bruderschaft „wiederzubeleben“. Aus heutiger Sicht blieben diese Bemühungen, zumindest über einen längeren Zeitraum, ohne Erfolg. Sicherlich ist heute nur noch einem Bruchteil der SeeEnd-Gemeinde bekannt, dass hier bei uns solch eine Bruderschaft über viele Jahrzehnte existierte.

Quellenangabe:
Kirchenbücher Seelsorgeeinheit SeeEnde;
mit freundlicher Unterstützung durch Text und Bild von Holger Kaupert


Darstellung der
7 Schmerzen
Mariens

San Stefano Rotondo, Rom

1. die Weissagung Simeons (Lk 2,34-35)
2. die Flucht nach Ägypten (Mt 2, 13-15)
3. das dreitägige Suchen nach Jesus bei der Wallfahrt zum Tempel (Lk 2,41-52)
4. der Weg nach Golgota
5. die Kreuzigung Jesu
6. die Abnahme Jesu vom Kreuz
7. die Grablegung Jesu

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