Mit freundlicher Unterstützung von Monsignore Bernward Mezger
Bei einer Temperatur von 100 Grad Celsius wechselt Wasser in einen gasförmigen Aggregatzustand. Die meist sichtbaren Schwaden des kondensierenden Wassers nennen wir umgangssprachlich „Dampf“. Im täglichen Leben begegnen wir häufig diesem flüchtigen Begleiter, ohne zu hinterfragen was konkret dahintersteckt. Wasserdampf, Dampfbad, Dampfstrahler oder Dampfbügeleisen sind einige Beispiele. Dampf ist mehr als ein zarter Hauch einer heißen Teetasse oder Nebel über dem Bodensee, es ist ein Energiebündel, das schwere Maschinen antreiben kann und wird als Herzstück der industriellen Revolution bezeichnet.
In der Zeit der großen Auswanderungswelle (1850 – 1934), als Luxusdampfer viele Menschen über den Atlantik setzten, gründete „Carl Eduard Schurr“ im Jahre 1906 eine Dampfseifenfabrik in Ludwigshafen am Bodensee. Dies ist eine Fabrik, die Seife produzierte und Dampfmaschinen als Antrieb nutzte und repräsentiert eine Ära des technologischen Fortschritts und der industriellen Entwicklung. Die gewöhnliche Innenausstattung einer Dampfseifenfabrik bestand aus einem Kessel- und Maschinenraum, einem Siederaum, einem Lager- und Verpackungsraum und einem Kontor (Büro). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfuhr die Seifenindustrie einen gewaltigen Aufschwung. Die Nachfrage nach Seife und fließendem Wasser stieg infolge gesteigerter Reinlichkeitsbedürfnisse enorm. Reine Seife oder Kernseife besteht nur aus einer Handvoll natürlicher Zutaten. Der wichtigste Bestandteil ist dabei Fett (Triglyceride), entweder aus Pflanzenöl (meist Olivenöle oder Palmöl) oder Fette tierischen Ursprungs wie Talg, Schmalz oder Fett aus Knochen.
Für die Herstellung von Seife wird Öl oder Fett mit Wasser und einer alkalischen Substanz (Natriumhydroxid oder Soda) so lange gekocht, bis eine chemische (exotherme) Reaktion stattfindet: Die sogenannte Verseifung.
Der Firmengründer Carl E. Schurr, geboren am 4. Dezember 1865 in Stuttgart, heiratete seine Ehefrau Marie Babette Schurr (geb. Ziegler), am 16. Juli 1898 in Memmingen und zog mit ihr noch im selben Jahr nach Ludwigshafen in die Radolfzeller Straße. Dort befindet sich noch immer das alte Wohnhaus der Fam. Schurr, welches vom Urenkel Monsignore Bernward Mezger bewohnt wird und in den 1930er um ein Stockwerk erhöht wurde. Bernward Mezger zelebriert bei jedem Besuch in der SeeEnd-Gemeinde Gottesdienste in der Kath. Pfarrgemeinde und konnte mit Bildern und Informationen einen entscheidenden Beitrag für diese SeeEnd-Geschichte leisten.
Das Fabrikgebäude selbst wurde nach Plänen von Carl E. Schurr in der Bahnhofstraße errichtet und ging im Jahre 1906 in Betrieb. Einmal mehr waren die Bahn und der Hafen entscheidende Kriterien für die Standortwahl in Ludwigshafen/See, denn hier konnten Rohprodukte einfach angeliefert und fertige Waren mühelos abtransportiert werden.
Produziert wurden Blockseife und insbesondere das „Veilchen-Seifen-Pulver“ zur schonenden Reinigung von Kleidungsstücken. Unter dem Warenzeichen „Terpensa“ (mit Bezug auf die künstlichen Riechstoffe Terpene) erhielt Carl E. Schurr vom Kaiserlichen Reichspatentamt den gesetzlichen Schutz für ein eingetragenes Warenzeichen (Zeichenrolle 57550), für den Geschäftsbetrieb „Dampfseifenfabrik“ und der Einführung des Schnellwaschmittels „Terpensa“.
Carl Schurr hat sein Produkt als: „Bestes Veilchen-Seifenpulver, mit größter Zeit- und Geld-Ersparnis“ beworben. Auf der Verpackungseinheit befand sich die Bedienungsanleitung des Seifenpulvers, mit folgendem Wortlaut:
„Man löse den Inhalt dieses Produktes in 6 Liter heißem Wasser auf und verrühre diese konzentrierte Seifenlösung mit 6 Eimer lauwarmen Wasser; alsdann lässt man in dieser Lauge die Wäsche einige Stunden oder über Nacht stehen und wäscht sie danach in klarem Wasser aus. Auf diese Weise erhält man blendend weiße Wäsche ohne Bleiche und erspart viel Arbeit, Zeit und Geld. – Mein Fabrikat eignet sich besonders auch zum Reinigen von wollenen Stoffen jeder Art und greift weder Farbe noch den Stoff selbst an.“
Dieses Produkt war bei den Hausfrauen heiß ersehnt, denn das Bleichen am Waschplatz (siehe Bericht: „Am Wachplatz“) kostete vielen Stunden Zeit und so konnte die Zeitersparnis für andere Dinge genutzt werden.
Das Seifengeschäft florierte bis in das Jahr 1922. Mit der Hyperinflation 1922/23 kam der unabwendbare Einbruch des Geschäftsbetriebes in der Bahnhofstraße. Anfänglich wurden die Seifen, aus Not an Basismaterialien noch mit Sand gestreckt oder aus Seifenresten Kerzen hergestellt, aber am Ende alles vergeblich, der Betrieb wurde eingestellt. Die Frohnatur Carl Eduard Schurr starb am 25. August 1923 und mit ihm die Gründeridee der Dampfseifenfabrik am SeeEnde.
Das Fabrikgebäude wurde später an den Drechslermeister Alfred Mellert verkauft, der über viele Jahre das Gebäude als Drechslerwerkstatt und Wohnhaus nutzte. Durch den Abriss des Gebäudes im Jahre 2023 verschwand der letzte Zeitzeuge eines kleinen, aber feinen Industriebetriebes mit überregionalem Wirkungskreis, ein weiterer Zeitzeuge für den wertvollen Wirtschaftsstandort am SeeEnde in Bodman-Ludwigshafen.