Faszination Fachwerk – Baukunst, Ornamentik und Farbe

Am 11. September, dem „Tag des offenen Denkmals“, hatte die Bevölkerung von Bodman-Ludwigshafen Gelegenheit, zwei der ältesten Fachwerkhäuser der Gemeinde zu besichtigen. Die Veranstalter vom „Förderverein Museum“ zeigten sich überrascht von der großen Zahl der Besucher und deren regem Interesse.

Die Rede ist von einem Haus aus dem Jahre 1607 in der Seestraße 26 im Ortsteil Bodman und dem um ca. 100 Jahre jüngeren „Hohen Hirschen“ in der Haldenhofstraße 15 Abzweigung Gießstraße im Ortsteil Ludwigshafen.

Die Raumgestaltung und die Nutzungsspuren weisen darauf hin, dass es sich bei beiden Gebäuden ursprünglich um ehemalige Wohn- und Verwaltungshäuser der örtlichen Vögte gehandelt hat.

Dr. Zimmermann, Eigentümer und Restaurator des „Hohen Hirschen“ und selbst studierter Geschichtswissenschaftler hat uns die nachfolgende Zusammenfassung seiner Recherchen zukommen lassen.

Bei dem im Jahre 1706 errichteten, in Ludwigshafen a/B  im Winkel von Gieß- und Haldenhofstraße gelegenen historischen Fachwerkhaus "Hohen Hirschen", handelt es sich um einen zweistöckigen Riegelbau auf massivem Sockel mit einem in Süd- Nordrichtung ausgerichteten, und mit zwei beidseitigen Steilgiebeln abschließenden Satteldach. Am Nordgiebel ist dem westlichen Teil einer auskragenden Galerie ein asymmetrisches, zur Gießstraße abfallendes Satteldach aufgesetzt.
Während die Unterstockwohnung nahezu ebenerdig über die Osttraufe zugänglich ist, wird die Oberstockwohnung über eine gedecke Freitreppe an der gleichen Traufwand erschlossen. An der Gießstraße ist der rückwärtige Keller und am Südgiebel ist der vordere, in zwei Teile untergliederte Keller, zugänglich.

Der "Hohen Hirschen" war mindestens seit der Aufhebung der Grundherrschaft, hierzulande um 1806/07, ein autarker „Selbstversorgerhof“ mit einem kleinen Wirtschaftstrakt bestehend aus zwei kleinen Schweineställen, einem Ziegenstall und zwei stockwerkweise genutzten, separat erschlossenen Wohneinheiten. Mit dem Fachwerkhaus „Hohen Hirschen“ liegt somit ein sozio-historisch in dieser Zeit selten belegtes Nutzungsphänomen, quasi eine Frühform des modernen Stockwerkeigentums, vor. 

Die Vermutung liegt nahe, daß die Ortsherrschaft, das Spital zu Überlingen, durch ihre im „Schlößle" in Sernatingen residierende Verwaltung diese Form des gemeinsamen Hausbesitzes einführen ließ, um den Raumbedarf der „kleinen Leute" zu decken. 

Beim "Hohen Hirschen" handelt es sich um einen stattlichen Baukörper mit einem gewissen herrschaftlichen Anspruch. Die separat erschlossenen Wohneinheiten mit der eigenständigen Nutzung der beiden Stockwerke weisen weder eine Verbindung noch eine wohnliche Gleichberechtigung auf. So kann man aufgrund des komparativen Vergleiches der baulichen Befunde beider Ebenen den Oberstock zweifelsfrei als „Belletage“, als das wohnliche Zentrum des Gebäudes, definieren.

Der etwas größere Zuschnitt der oberen Wohneinheit, die täfergeschmückte Ausarbeitung des Wohnraumes, aber auch die architektonische Hervorhebung der giebelseitigen Fachwerkgestaltung, erhärten die Vermutung zur Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem untersuchten Gebäude um ein ehemaliges Vogtshaus mit öffentlicher Verwaltungsstube im Unterstock und der Wohnung des Vogtes oder seines Verwalters im Oberstock und der großen Lagerfläche für die Aufbewahrung der verschiedenen, dem Grundherrn zustehenden Abgaben im und um das Haus handelte.

Dr. B. Zimmerman

Der „Hohe Hirschen“ wurde vormals von Zimmermeister Arthur Sinner in Stand gesetzt. (Im Bild links mit seinen Zimmerleuten beim Anbinden der Fachwerk-Obergeschosswand an der Westseite.) Kunstmaler Werner Mollweide, der damals Leiter der Kreisstelle für Denkmalpflege im Landkreis Stockach war, hat sich in besonderer Weise für die Wiederherrichtung und Erhaltung des Gebäudes eingesetzt.

Der „Hohe Hirschen“ ist wahrscheinlich das älteste Fachwerkhaus in Ludwigshafen. Sein Name geht darauf zurück, dass ursprünglich im Erdgeschoss ein Ausschank bzw. eine Gastwirtschaft mit diesem Namen war.

Fachwerkhäuser boten Wohnstatt für Arm und Reich. Wer zu welcher sozialen Schicht gehörte, darüber gab unmissverständlich die Kunstfertigkeit oder Schlichtheit der Hausfassade Auskunft, die auf der dem Ort zugewandten Seite meist aufwändig, nach hinten dagegen weit bescheidener gestaltet war.

Bild links: Alte Fachwerkhäuser in Ludwigshafen. Standort unbekannt.
Bild rechts: Gasthaus Ochsen erbaut 1707 in Schobloch. Heute Eingangsbereich des Freilichtmuseums in Neuhausen ob Eck.

Der Fachwerkbau bestimmt noch heute das Bild vieler Altstädte und Dorfkerne. Er überrascht durch die Vielzahl unterschiedlicher Konstruktionsdetails und Schmuckelemente. Fachwerkarchitektur erfüllt nicht nur höchste ökologische Ansprüche, sondern wird auch höchsten ästhetischen Ansprüchen gerecht. Es ist die Einheit aus Holzfachwerk und Gefach, wie Ständer, Streben, Mauerwerk, Bruchstein oder mit Lehm verputztes Holzgeflecht sowie Schmuckformen, wie Holzschnitzwerk mit Bemalung oder farblich gefasste Balken oder Gefache. Kurz gesagt, Fachwerk vereint Baukunst, Ornamentik und Farbe in reinster Vollendung.

Fachwerkhäuser waren schlechthin der Baustil früherer Jahre. Später verschwand vielerorts das schöne Gebälk dann häufig unter dem Putz der Moderne. Auf das Fachwerk wurden Schilfmatten und Drahtgeflechte genagelt, um den Putz zu fixieren. An manchen Stellen treten die Strukturen witterungs- bzw. (ver)witterungsbedingt jedoch wieder zu Tage. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich in Bodman-Ludwigshafen hinter der glatten Fassade vieler älterer Gebäude ein Fachwerk verbirgt.

Bildgalerie der Fachwerkbauten von Bodman-Ludwigshafen

Bodman

Am 11.06.2019, Pfingstsonntag, stabilisierten die Ortsverbände Radolfzell und Stockach des Technische Hilfswerks die Nordfassade des Sichtfachwerkhauses in der Seestraße 26 in Bodman, nachdem sich ein Gefach gelöst hatte und das Gebäude teilweise einzustürzen drohte. Der Einsatz dauerte vom frühen Nachmittag bis fast um 2 Uhr morgens des nächsten Tages. Die Einsatzleitung lag bei der FFW Bodman-Ludwigshafen, die zur Beurteilung der Tragfähigkeit einen Statiker hinzugezogen hatte.

Ludwigshafen

Der Kellhof ist das älteste bekannte Gebäude von Ludwigshafen. Möglicherweise wurde es auf den Grundmauern einer römischen Befestigungsanlage erbaut.

Die Bewohner des Kellhofes lassen sich ab 1566 in den noch aufzufindenden Akten namentlich belegen. Seit dem Jahre 1874 heißen die Besitzer des Kellhofs Honstetter.

Frowin Honstetter, der den Hof 1958 übernahm, widmete sich mit Unterstützung des Denkmalamtes und viel Eigenleistung der Renovierung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes.

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