Vergnügungspark „Hangen“ – Nein danke!

Das Naturschutzgebiet entlang des Bodenseeufers zwischen Bodman und Ludwigshafen, von den Einheimischen  „Hangen“ genannt, ist ein Kleinod für jeden, der sich gerne in der unberührten Natur aufhält. Wer heute dort spazieren geht, kann sich kaum vorstellen, dass hier bis in die 1980er Jahre Ackerbau betrieben wurde. Außerdem befanden sich dort die Fussballplätze beider Ortsteile, die damals noch eigenständig waren. Ja, es gab zwischen beiden sogar noch einen dritten Platz als „Puffer“, damit sich die rivalisierenden Nachbarn nicht zu nahe kamen. 😉

Nach dem Zusammenschluss beider Dörfer bekam die junge Gemeinde einen neuen Bürgermeister, der mit dem Seeende Großes vorhatte. Da zu diesem Zeitpunkt die Weiterführung der Autobahn von Singen nach Stockach im Bau war, die an der heutigen Abfahrt Stockach West enden sollte, entwickelte der Schultes für die vom Tourismus lebende Gemeinde eine Vision, die er für genial und zukunftsweisend hielt, aber vielleicht auch von Geschäftsinteressen inspiriert war.

Die Touristen sollten am Ende der Autobahn auf direktem Wege zum Bodenseeufer geleitet werden, ohne erst in die Ortschaften fahren zu müssen, um sich ein Hotelzimmer oder eine Ferienwohnung zu suchen. Dazu hätte ein Freizeit- und Vergnügungszentrum am Seeende geschaffen werden sollen, das auf 20 Hektar (schraffierte Fläche) alles zu bieten gehabt hätte, was ein Urlauberherz begehrt: einen 400m langen Badestrand, Ferienresidenzen, Geschäfte, Campingmöglichkeiten, Duschen, Toiletten, Parkplätze und vieles mehr.

Nicht nur die Wander- und Naturschutzverbände, sondern sicher auch die Hotel- und Gaststättenbetreiber sowie die Besitzer von Ferienwohnungen und Lebensmittelgeschäften  waren von diesem „Rummelplatz“ und gigantischen Konkurrenzunternehmen wohl alles andere als angetan. Die große Vision wurde daher rasch verworfen und blieb, was sie von Anfang an war, eine megalomane Utopie.

Doch damit allein war das Seeende noch nicht gerettet. In dieser Zeit gab es einen wachsenden Zustrom von Tagestouristen und Badefreudigen, vor denen kein freies Fleckchen Schilf und keine Handbreit Strand mehr sicher waren. In der Bucht ankerten bis weit ins Flachwasser Segel- und Motorboote, die häufig wie Flöße zusammengebunden waren, um das Vergnügen zu befeuern. Radiomusik und der Duft von Sonnenöl und gegrilltem Fleisch waren allgegenwärtig. Die Wasservögel fanden keine Rückzugsmöglichkeit mehr und suchten das Weite.

Für den Schutz des Aachriedes und der UNESCO Welterbestätte „Schachen/Löchle“ bedurfte es daher einerseits eines strikten Badeverbotes und der Einrichtung einer weiträumigen Ruhezone für Wasservögel im Uferbereich.  Anderseits steigerten alternative Freizeitangebote das Interesse der Menschen an einem umweltverträglichen Naturvergnügen. Dazu zählen: Lehrpfade, Infotafeln, geführte Wanderungen und Aussichtsplattformen zur Beobachtung von Vögeln. In den artenreiche Streuwiesen, den ursprünglichen Auwaldrelikte und ausgedehnten Schilfgürteln finden nun wieder zahlreiche Vögel Schutz- und Lebensraum, wie Blesshühner, Haubentaucher, Kormorane, Reiher, Höckerschwäne, Wildgänse, verschiedene Entenarten, Zwergtaucher, Eisvögel, Teichrohrsänger und viele mehr. Es ist hier, wo im Frühjahr der Kuckuck zuerst ruft und im Sommer die Nachtigall am wundersamsten singt.

Wer durchs „Hangen“ spaziert und die Schönheit der Natur genießt, mag sich einen kurzen Augenblick vorstellen, wie es hier aussähe, wenn die Vision des damaligen Bürgermeisters Wirklichkeit geworden wäre. Die älteren Bürger von Bodman-Ludwigshafen werden in einer dunklen Ecke ihres Gehörs sicher noch das Gejohle der Schlachtenbummler vernehmen, die einst ihre Fußballmannschaften anfeuerten.

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