TOX-Dübel – Der beinahe Hidden-Champion vom SeeEnde

Die „TOX“ war in der Nachkriegszeit bis 2006 der größte Arbeitgeber am SeeEnde. Um die 100 Mitarbeiter und in der Spitzenzeit bis zu 140 Mitarbeiter verdienten bei unserem fast-„Hidden-Champion“ ihr täglich Brot.

Als „Hidden-Champions“ werden Unternehmen bezeichnet, die eine Nische entdeckt haben, in der sie mit ihren Produkten Weltmarktführer sind, einen sehr hohen Marktanteil besitzen und hohe Gewinne erzielen. Dennoch sind sie meist unbekannt, da sie im sogenannten B2B, also auf neu-Deutsch Business-to-Business aktiv sind, oder uf häflerisch: vu Gschäft zu Gschäft vukaufed, und mir als Endkunde von ihnen wenig mitkriegen.

Diese Art von Firma war (fast) die TOX-Dübel in unserer Seegemeinde. Aber wie kam es dazu?

Die Firma Richard W. Heckhausen, Dübel u. Werkzeugfabrik, vormals STOP-Dübel AG, hat als erstes Unternehmen im Jahr 1920 sogenannte Faserstoff-Dübel in Deutschland gefertigt. Unter dem Namen „STOP-Dübel“ auf den Markt gebracht und diese bereits tausendfach im In- und Ausland verkauft. Nachdem das Berliner Unternehmen 1942 einem der frühen Bombenangriffe zum Opfer fiel, verkaufte der damalige Eigentümer das Unternehmen an Richard Heckhausen, der in dieser Zeit den Mut hatte das Unternehmen zu übernehmen. Klugerweise verlagerte er den Unternehmenssitz umgehend an den weniger gefährdeten Bodensee nach Überlingen.
In Überlingen war die Richard W. Heckhausen, Dübel u. Werkzeugfabrik, in der Nähe der bekannten Kramer-Werke nahe am See beheimatet. Bereits 1942 wurde auch in Ludwigshafen hinter der alten Schmiede, wo heute der Zinnkrug liegt, eine Filiale zur Dübel-Fertigung aufgebaut.

Das Gebäude wurde später an das Autohaus Adam (Volvo) verkauft. Heute ist dort die Polizeistelle Ludwigshafen im Erdgeschoss eines neuen Wohngebäudes untergebracht.

1959 wurde der Hauptsitz, mit einem Neubau von Verwaltungsgebäude und einer Fertigungshalle auf das heutige EDEKA Gelände nach Ludwigshafen verlegt. Jahre später erfolgte der Bau einer großen Lager- und Logistikhalle in östlicher Richtung.
Die TOX produzierte zunächst Faserstoffdübel mit der Bezeichnung „Rekord-Dübel“. Die Herstellung war, im Vergleich zu den neu aufkommenden Kunststoff-Dübeln, aufwendiger und damit auch kostenintensiver. Lange wurde der Kunststoffdübel, den die Firma Fischer Technik entwickelt hatte, von der TOX-Dübel-Technik belächelt, weil Kunststoff in der Nachkriegszeit als minderwertiges Material angesehen wurde.

Ende der 50er Jahre wollte TOX die Fertigung der Faserstoffdübel weiter optimieren und ließ nebenbei in Langenargen in Auftragsfertigung Kunststoffdübel herstellen, damit man diese auch im Sortiment anbieten konnte. Der damals frisch bei der TOX beschäftigte Techniker Helmut Stoffel erkannte bei Besuchen in Langenargen, dass es sich für die TOX schnell lohnen würde, die Kunststoffdübel selbst zu produzieren. Es gelang ihm die beiden früheren Geschäftsführer Dr. Stellner und Hani Heckhausen von der Idee zu überzeugen und in weniger als einem halben Jahr amortisierte sich die Anschaffung der neuen Maschinen für die Fertigung von Kunststoffdübel. Die Optimierung der Rekord-Dübel-Produktion wurde nicht mehr weiterverfolgt. Der Kunststoffdübel begann auch bei der TOX seinen Siegeszug – mit knallroter Farbe.

Zwei Erfolgsdübel von TOX. Der „Rekord“ links und der „Tri“ rechts.

1964 übernahm Leslie Heckhausen mit 25 Jahren die Geschäftsführung. Er hatte viele guten Ideen für neue Spezialdübel und beauftragte seine Techniker, diese zu entwickeln. Im Erfolgsfall erhielten sie die Patente für die von ihnen entwickelten Dübel. Seit 1973 wird der heute immer noch beliebte Allzweckdübel, der (rote) „Tri-Dübel“, mit seinen typischen Seitenflossen, gefertigt.

Die Dübel-Produktion verursachte einen Höllenlärm und wäre heutigen Anforderungen an den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter nicht mehr gerecht geworden. Die Kinder amüsierten sich, wenn sich die TOX-Arbeiter auf dem Heimweg von der Arbeit anschrien, ohne es selbst zu merken, da sie vom Lärm noch halb taub waren.

Das Unternehmen wuchs, war und ist vermutlich auch heute noch, hinter Fischer, der zweitgrößte Dübel-Hersteller in Europa, der auch ins außereuropäische Ausland seine Dübel verkauft. Der „Tri-Dübel“ ist heute noch bei vielen Handwerkern und Heimwerkern der beliebte Standarddübel für zahlreiche Anwendungen. Bis ins Jahr 2006 produzierte die TOX in Ludwigshafen ihre „Tri-Dübel“ millionenfach, ehe das Unternehmen nach Ablach bei Krauchenwies verlagert wurde, weil die Produktionsstätte modernen Anforderungen nicht mehr gerecht wurde. Ein von der Gemeinde und den Arbeitnehmern bevorzugter An- und Umbau in Ludwigshafen wurde leider nicht weiterverfolgt. Die Gemeinde verlor ihren größten Arbeitgeber und Steuerzahler.

Das Unternehmen TOX ist kein wirklicher „Hidden-Champion“, weil die TOX-Dübel auch bei den meisten Heimwerkern beliebt und bekannt sind und man ihre Dübel in fast jedem Heimwerkermarkt findet. Die TOX ist also nicht „hidden“ oder verborgen genug. Und dennoch versteckt sich der Dübel in so manchen Produkten, ohne das sie als TOX erkennbar sind. Viele Unternehmen (z.B. IKEA) geben ihren Bausätzen Dübel ohne Herstellerbezeichnung dazu. So verwenden Menschen in ganz Europa TOX-Dübel ohne es zu wissen – also doch etwas „hidden“ (versteckt).

Zur Steigerung der eigenen Marktposition setzte TOX, unter der Federführung von Wolfgang Moll, auch auf Werbekampagnen. Mit dem Slogan: „Raus aus der Grauzone“ setzte sie schon früh eine raffinierte und zugleich spitzige Anspielung gegen den aufsteigenden Marktführer Fischer-Dübel, der seine eigenen Dübel allesamt in der Farbe Grau produzierte.

Einmal mehr war das SeeEnde Geburtsort für ein international tätiges und erfolgreiches Unternehmen. Wie am ganzen Nordostufer des Bodensees waren auch hier ideenreiche Ingenieure, bewanderte Geschäftsleute und loyale Mitarbeiter am Werk.

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