Der rote Hahn sitzt auf dem Dach – Wie werden alle Leute wach?

„Sernatingen: In der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1745 brannte der Hof von Ignaz Ill bis auf die Grundmauern nieder. Nur durch viel Glück konnte er sich und seine Familie in Sicherheit bringen. Sein gesamter Tierbestand fiel den Flammen zum Opfer. Ebenfalls fingen die Nachbarhäuser Specht und Auer Feuer. Hier konnte der Schaden durch das Feuermeer begrenzt werden und ein übergreifen auf weitere Häuser wurde ebenfalls verhindert“.

Dies ist keine wahre Begebenheit, aber so ein Ereignis war in der damaligen Zeit durchaus denkbar, auch mit weitreichenden Folgen für die gesamte Ortschaft. Vermutlich würde in dieser Geschichte, die in dem Haus lebende Familie von den Schreien der Tiere geweckt, die durch das Feuer in Panik gerieten. Oder durch den Nachtwächter, falls es diesen gab, lautstark aus dem Bett geworfen. Ein Hausbrand war damals eine Löscharbeit der gesamten Einwohnerschaft, denn durch die enge Bebauung und Funkenflug war die Gefahr groß, dass der gesamte Ort zu einem flammenden Inferno wurde.

Nehmen wir dieses Szenario etwa 100 Jahre später, also ca. um 1900. Es wären wohl die meisten Tiere gerettet worden, die Gefahr, dass der gesamte Ort abrennen könnte gibt es nicht mehr, auch bei den Nachbarhäusern würde der Schaden deutlich geringer ausfallen. Warum?
Es gab zu dieser Zeit bereits fest eingeteilte Löschmannschaften, mit einem sogenannten „Sturmläuter“. Dies war mindestens ein Gemeindemitarbeiter, der die Rathausglocke läutete, der Messner, der die Kirchenschlüssel hatte und fünf weitere Einwohner. Außerdem wurde öffentlich eine Feuerlöschordnung bekannt gegeben in der geregelt war, wie sich jeder Einwohner im Brandfall zu verhalten hat. So mussten die Anwohner, die im Bereich des Brandes wohnten, bei Nacht Kerzen in Ihre Fenster stellen und die Straßenlaternen anzünden. Im Winter, bei Glatteis, Sand oder Asche streuen, damit die Feuerlöschmannschaften unbeschadet zu ihrem Einsatzort kamen.

Anfang des 20. Jahrhundert wurden die „Sturmläuter“ durch Hornisten ersetzt, die mit einem „Martinshorn“* die Bevölkerung warnten. Trotzt einer besseren Alarmierung, waren die Schäden bei einem Brand immer noch sehr hoch, da die Feuerlöschmannschaften nicht effektiv genug arbeiten konnten und das verfügbare Löschmaterial in keiner Weise der heutigen Technologie entsprach. In Städten oder Dörfern mit Adelshäuser etablierten sich bereits um 1840 die ersten Freiwilligen Feuerwehren. Diese waren bei den Einwohnern oftmals nicht gut angesehen, da diese sehr viel Geld kosteten und man ja Feuerlöschmannschaften hatte, die das auch erledigen konnten.

Im „Nellenburger-Bote“ von 1868 wird z.B. berichtet, dass in „Nenzingen“ die FFW zwar etwas später wie die Löschmannschaft am Brandort war, aber dank Ausbildung und Disziplin mehr Erfolg beim Löschen hatten. Dies bewirkte einen Stimmungswandel gegenüber Freiwilligen Feuerwehren. Auch in der Seegemeinde sollte 1928 eine Freiwillige Feuerwehr gegründet werden, allerdings wurde diese vom Bürgerausschuss mit 35 zu 6 Stimmen abgelehnt. Durch ein Gesetzt des „Reichsministerium des Inneren“ von 1937, wurde am 14.03.1938 im Gasthaus Adler die Freiwillige Feuerwehr Ludwigshafen gegründet.

Alte Sirene Rathaus
Neue Sirene Sernatingen Schule

Nach dem zweiten Weltkrieg nahm die Weiterentwicklung der Alarmierungstechnik erst richtig fahrt auf. So wurde auf dem neuen Rathaus (Rathausstraße) in Ludwigshafen eine moderne Sirene installiert. Weitere kamen auf das Gebäude der Firma „TOX-Dübel“, die es auf eigenen Wunsch beantragt und finanziert hat und ein Exemplar wurde auf die Sernatingen-Schule montiert. In den 1980er fing das Zeitalter der Funkmeldeempfänger an. Anfangs nur für die Kommandanten, später auch für alle Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr.

Seit Januar 2022 werden die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, zusätzlich zu Ihren Funkmeldeempfänger, auch über das System „Alamos“ auf ihrem Smartphone alarmiert. Mit dieser Lösung kann auch sofort der Einsatzort bekannt gegeben werden und alle wissen in welcher Richtung der Einsatz zu erfolgen hat.

Im Januar 2023 wurden die alten Sirenen durch Neue ersetzt. Diese Modelle können nicht nur durch einen Heulton die Bevölkerung warnen, sondern auch über Durchsagen die Bevölkerung informieren. Im Juli 2023 werden die alten analogen Funkmeldeempfänger gegen zuverlässigere, digitale Melder ausgetauscht. Somit ist die „FFW Bodman-Ludwigshafen“ auf dem neuesten Stand der Alarmierungstechnik und kann zusammen mit dem sehr guten Ausbildungstand den roten Hahn** auch Nachts vom Dach vertreiben, ohne das dieser größere Schäden anrichten kann.

Analoger Meldeempfänger
Digitaler Melder

*) Woher kommt der Begriff Martinshorn?
Vor ca. siebzig Jahren entwickelte die Firma Max B. Martin für die Feuerwehr und die Polizei ein Warnsignal mit verschieden hohen Tönen, also das „Tatütata“. Für einige Zeit stellte nur die Firma Martin diese Signalhörner her. So wurde der Name „Martinshorn“ von dem Firmennamen Martin übernommen, die das Horn erfunden hat.

**) „Jemandem den roten Hahn aufs Dach setzen“ bedeutete früher umgangssprachlich, jemanden sein Haus anzuzünden. Der Begriff „Roter Hahn“ stand für Feuer oder Brand.

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