Stockacher Schweinebucht – Der Badekrieg von 1920!

Im Sommer 1920 entbrannte ein privater Badestreit zwischen Ludwighafen und Stockach, der in einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Beteiligten gipfelte. In dieser Zeit verursachte das Geschehen in beiden Gemeinden Entsetzten, Stirnrunzeln und schelmische Schadenfreude zugleich.

Der sogenannte „Badekrieg“ entzündetet sich an einem Vorkommnis beim Strandbad, das schon damals von den Stockachern gut besucht wurde, den Ludwigshäflern heilig war und schon gar keine Bevormundung durch Stockacher Badegäste geduldet wurde. Dieser „Badekrieg“ verlief nicht handgreiflich, sondern verbal im damals erscheinenden „Stockacher Tagblatt“.

Strandbad vor dem Bau des Gebäudes mit Sanitäranlagen Anfang 1900

Der Startschuss gab „im Namen vieler“ ein Herr „Einer“ im Juni 1920, der auszugsweise folgendes schrieb:

„Mit reicher Naturschönheit ist unsere Bodenseelandschaft ausgestattet. Von Jahr zu Jahr hat sich der Fremdenstrom gehoben. Ein wundervoller Strand ist von der Gemeinde mit Badehäusern versehen worden. Es gäbe eine wachsende Erkenntnis vom gesundheitlichen Wert des Schwimmens und der Abhärtung des nackten Körpers in Sonne und Luft. Diese Erkenntnis scheint in Ludwigshafen keine allgemeine zu sein. Wie es scheint, gibt es dort auch einflussreiche Leute, die das Baden und Nacktkultur als etwas höchst überflüssiges und schädliches betrachten. Umso unverständlicher ist es, wenn ein Gemeinderat seiner Verärgerung Luft verschafft und in der Hauptbadezeit sein Güllenfass auf seiner, zum Badebetrieb nötigen, Wiese entleert. Der Herr Rat also mit dieser Aktion seiner Meinung Ausdruck verleiht, dass vieles und auch Nacktbaden ein große „Sauerei“ sei, so beweist das nur, wie schlecht die Menschheit mit solchen Gemeinderäten beraten ist“.

Aber nicht nur der Eigensinn des erbosten Gemeinderates ist Herr „Einer“ aufgestoßen, sondern auch die Waschfrauen am Bodensee. So schreibt er weiter:

„An jedes Bad sind auch hygienische Anforderungen zu stellen, denn Schmutz und Unrat sind die Quellen aller Krankheiten. Darum ist es nicht angängig, dass kaum 20 – 30 Meter vom Badeplatz entfernt Frauen ihre schmutzige Wäsche reinigen. Das gehört verboten“.

Natürlich wirbelten diese Vorwürfe in Ludwigshafen einen gewaltigen „Shitstorm“ aus (lawinenartiges Auftreten negativer Kritik). Damals nannte man es noch “Großen Sommerstaub“ und es wurde erwartungsgemäß jetzt ebenso scharf zurückgeschossen.

Die Schlacht wurde hauptsächlich über das Stockacher Tagblatt ausgetragen, das sich vor zahlreichen Leserbriefen, die sich auf den verfassten Schmähbrief bezogen, kaum noch erwehren konnte. Am Ende musste der speziell eingerichtete Briefkasten wegen Überfüllung geschlossen werden.
Der betroffene Gemeinderat M.M. antwortete auszugsweise wie folgt:

„Ich hätte keinen Grund dazu, die Feder zu führen, aber dem Herrn „Einer“ gegenüber, muss ich zur Sache sprechen: Die Badeanstalt wurde von vorneherein für die Einwohnerschaft erstellt, ohne dass irgendein moderner Herr die Gemeindeverwaltung auf den gesundheitlichen Wert aufmerksam gemacht hätte. Eine Begeisterung für Nacktkultur war bei der Planung nicht vorhanden, sonst hätte man Büsche und Bäume entfernt und den Platz für ein Licht- und Sonnenbad eingerichtet, doch wir waren der Ansicht, Luft und Sonne sind überall zu haben und die Ludwigshäfler nicht dafür Sorge tragen müssten. Mit dem Zustrom der Fremden und namentlich der Modernen hat man nicht gerechnet, durch die unsere Badeanstalt immer mehr in Anspruch genommen wird, hauptsächlich zur Pflege der Nacktkultur, ohne jede Beachtung der ausgehängten Badeordnung. So bezeichne ich diese größere Unordnung als Sauerei! Unter den modernen Männlein und Weiblein ist gar manches, das von Wohlanständigkeit und Schamhaftigkeit andere Begriffe hat als wir Unmodernen. Ich glaube sogar, dass den Herrn „Einer“ manchmal die Badehose geniert und auch dieses unmoderne Kleidungsstück noch verschwindet. Herr „Einer“ kritisiert sodann, dass Waschfrauen in nächster Nähe das Wasser trüben. Ich bin der Meinung, dass unsere Modernen aus Stockach manchmal eine weit schmutzigere Wäsche in den See tragen. Seine am Ende seiner Ausführungen in Fluss kommende Blumensprache ist so duftend wie mein Pfuhl, die am meisten dem Herrn „Einer“ in die Nase sticht, woraus zu schließen ist, dass er seine Weisheit nicht auf einer landwirtschaftlichen Hochschule geholt hat.“

Die verbalen Kraftakte wurden noch eine Weile fortgesetzt. Die Umgebung nahm diesen Badekrieg zwischen Ludwigshäflern und Stockachern genüsslich zur Kenntnis. Durch die vielen Leserbriefe hatte es sich herumgesprochen, dass einige Stockacher im Ludwigshafener Strandbad „Freikörperkultur“ betreiben, so setzt sich an den Wochenenden ein starker Strom Neugieriger in Bewegung. Dieser Teil des Strandes erhielt auch schnell die Bezeichnung „Stockacher Schweinebucht!“

Hatten die öffentlichen Auseinandersetzungen um das Ludwigshafener Strandbad einige Abwechslung in das sommerliche Alltagsleben gebracht, so flauten die Kampfhandlungen der Widersacher langsam ab. Die Stockacher Badegäste zeigten sich versöhnlich und auch züchtig. Auch die Streithähne zeigten nach und nach Einsicht, auch eine zunehmende Dialogbereitschaft. So kehrte wieder Frieden ein im Strandbad Ludwigshafen und ein Gendarm achtetet darauf, dass es dort auch „sauber“ bliebe. Die Probleme des Sommers 1920 tauchten nicht wieder auf. Es blieb bei diesem einmaligen „Sommergewitter“.

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