Wo wohnt der Wille? Im Hirn oder im Hintern?

Mit freundlicher Unterstützung durch Wolf-Dietrich Specht

Durch die Zuwanderung von Menschen aus den verschiedensten Teilen unserer Welt kam und kommen auch Eingeborene vom SeeEnde mit Weisheiten und Ausdrucksweisen fremder Gesellschaften in Kontakt, die den eigenen manchmal diametral gegenüberstehen.

Dass man nicht nur von links nach rechts schreiben und lesen kann, sondern auch von rechts nach links oder von oben nach unten, ist sicher inzwischen jeder und jedem bekannt. Weit weniger Bürger mit alemannischen Wurzeln werden jedoch wissen, dass andere Kulturen beim Zählen mit der Hand nicht mit dem Daumen beginnen, sondern mit dem Kleinen Finger.

Wieder andere zählen mit der Hand nicht nur die 5 Finger, was bei zwei Händen und 10 Fingern zum Dezimalsystem geführt hat, sondern zählen mit dem Daumen als Instrument die Glieder der übrigen 4 Finger und bekommen als Ergebnis 12, was unter dem Begriff Duodezimalsystem bekannt ist.

Es gibt Länder, da schüttelt man den Kopf, wenn man „Ja“ sagt, und nickt, wenn man „Nein“ sagt.
Beim Grüßen strecken wir uns die Hände entgegen, drücken und schütteln sie kräftig und schauen unserem Gegenüber dabei tapfer ins Gesicht; Blickkontakt aushalten ist Pflicht. In anderen Kulturen faltet man die Hände und schaut respektvoll zu Boden.

Ein anderes schönes Beispiel für gegensätzliche Betrachtungs- und Handlungsweisen, hat uns Wolf-Dietrich Specht mit einer amüsanten Anekdote beigesteuert.

Er erinnert sich an eine Geschichte, die damit beginnt, dass ein alter Ludwigshäfler italienischer Herkunft mit seinem Kuhgespann die Bergstraße hinauf in Richtung Schoren unterwegs war. Da er mit der Ladung wohl etwas übertrieben hatte, verweigerte ihm das Rindvieh von Zeit zu Zeit seine Dienste.
Als alles Gutzureden, Ziehen und Zerren nichts half, griff der Bauer zu seinem Stecken und traktierte damit Gehörn und Grind der erschöpften oder faulen Tiere, weil man das in südlichen Ländern wohl so macht.

Ein Passant, der die Szene aus nächster Nähe miterlebte, rief dem Fuhrmann zu: „Wenn dië Kuhë verrse go soll, no moscht hinnë druff schlaa, id vornë!“ So wie es halt hierzulande seit Alters her der Brauch ist.

Daraufhin erwiderte ihm der Bauer mit seiner meditäranen Logik:

„Ä Kuhä hätt d’Politik im Kopf id im Fiddle!“

Welche der beiden Methoden letztlich die erfogreichere ist, kann jeder selbst herausfinden, jeder der noch eine Kuh und ein Gespann besitzt. Ansonsten zeigt uns dieses Beispiel, dass die eigenen Konzepte und Methoden, so selbstverständlich sie uns erscheinen mögen, nicht die einzig möglichen sind. In der Auseinadersetzung mit anderen Weltanschauungen steckt die Chance, die eigenen Erfahrungen und Überzeugungen zu überdenken, zu hinterfragen und vielleicht mit neuen Erkenntnissen zu bereichern. Ein bisschen Weltoffenheit, Neugier und Experimentierfreude gehören natürlich dazu.

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