„Wo treffed mir uns? A de Pappele!“

Populus ist die altrömische Bezeichnung für Pappeln, die zur Familie der Weidengewächse gehört und mit ihren rund 40 Arten weltweit vorwiegend in der nördlichen gemäßigten Zone beheimatet ist. Sie wachsen gerne an Fluss- oder Seeufern, sind sommergrüne Bäume und erreichen ein stattliche Wuchshöhe von 35 bis 45 Metern. Die meisten Arten der Pflanzengattung Populus wachsen im Jugendstadium und während der vegetativen Vermehrung sehr rasch und werden gerne in Brachland oder zerstörten Gebieten für eine schnelle, aggressive Kolonisation eingesetzt. Pappeln sind anspruchslos und passen sich erstaunlich gut an ihre Umgebung an. Gegen Überflutung und auch Überschlickung sind sie sehr tolerant, sie können sonnig bis absonnig stehen und arrangieren sich mit unterschiedlichen Bodenverhältnissen. Auf der anderen Seite vermindern sie Erosion und verbessern Luft- und Wasserqualität.

Auch das vegetative Erscheinungsbild am Seeufer der SeeEnd-Gemeinde war über viele Jahrzehnte von dieser Baumart geprägt. Über mehrere Kilometer beginnend beim Strandbad im Osten, zog sich die Baumschlange über den Schlößlepark zum Hafen- und Adlerbecken. Sie setzte sich oberhalb des Waschplatzes bis nach Westen zum Lettloch, dem heutigen Stockacher Yachthafen, fort. Auch an der westlichen Spitze, im Hangen, war eine größere Zahl von Pappeln entlang der Uferstraße zu finden.

Initiator für diese große Pflanzaktion war Altbürgermeister Eugen Jegler, der das See-End-Ufer mit einer strammen Reihe „Baumsoldaten“ bepflanzen und eine weithin sichtbare Populus-Allee schaffen wollte. Mein Großvater Josef Trisner war zu dieser Zeit als Landschaftsgärtner bei der Gemeinde aktiv und hat einen Großteil dieser schnellwachsenden „Pyramiden-Pappeln“ gepflanzt.

Bei den Einheimischen war der gemeine Spruch „Mir treffed uns a de Pappele“ durchaus üblich, allerdings immer mit der Ergänzung, an welchem Teil der Baumstrecke dies geschehen sollte, um Irritationen und langes Suchen zu vermeiden. So manches Pärchen fand sich im Sonnenschatten oder auch im schillernden Mondlicht unter dem Dach der Pappel und es war dann schwer zu differenzieren, ob das „zittern wie Espenlaub“ von den flatternden Baumblättern oder von der darunterliegenden, spannungsgeladenen Atmosphäre herrührte. Denn, so mutmaßt der Schreiber mit einem Augenzwinkern, „hot sich die nächtliche Silhouette vu nem engumschlungene Päärle kaum vu Holz und Borke der Pappele unterschiede“.

Bei den Griechen galt die Pappel übrigens als Baum des Todes. Sie war Hades geweiht, der über die Unterwelt herrscht. Er liebte die wunderschöne Leuke, die sich aber lieber in den Tod stürzte als sich Hades hinzugeben. Zu ihrer Ehre ließ Hades eine Silberpappel am See der Erinnerung wachsen. Die Griechen pflanzten sie daher gerne auf Friedhöfen. Schätzen wir uns also glücklich, dass diese Version der Populus-Pflanzung in das Reich der Mythen gehört und der Baum hier bei uns am SeeEnde nicht grundsätzlich für ein gebrochenes Herz gesetzt wurde.

Regelmäßig im Mai gab es an den Uferwegen, die von vielen Pappeln geziert waren, ein interessantes Schauspiel, denn die Pappeln halten ihren fertigen Samen zunächst eingepackt in einem weichen Pappelflaum. Sobald sich die Samenkapsel öffnet, gibt es einen wahren Schneesturm an Pappelwolle, der sich über weite Flächen verteilt und den Boden weiß bedeckt. Es entstand ein bizarres Bild, wie Schnee im Mai. Beim Pappelflaum handelt es sich um antiallergene Pflanzenstrukturen, die in der Antike sogar als entzündungshemmende Heilsalbe eingesetzt wurden. Im Gegensatz zu Pollen verursacht der Flaum keine Allergien und beschert dem Spaziergänger keine Unannehmlichkeiten. Erst bei Regen löst sich der Pappelschnee auf und gibt die kleinen Samenkörner frei.

Am Ostufer in Bodman standen lange Zeit sehr alte Pappeln wie ein Wahrzeichen vor dem Gebäude „Greth“, als ob sie untrennbar miteinander verbunden wären.

Heute sehen wir nur noch wenige Bäume dieser Gattung am Seeufer stehen. Viele wurden Opfer des Sturms, vor dem sie uns schützen wollten. Einige waren ins Alter gekommen und mussten aus Sicherheitsgründen gefällt werden. Hinter vorgehaltener Hand wird auch gemunkelt, dass einige schlicht das Blickfeld zum See einengten und unter fadenscheinigen Gründen aus dem Weg geräumt wurden. Sicher ist jedoch eine Freveltat an der Natur, als ein Unbekannter des Nachts einen Charakterbaum am Waschplatz rundherum mehrfach anbohrte und Gift hineinspritzte. So wurde eine wertvolle Pappel mit bis zu 90 Jahresringen in wenigen Augenblicken durch einen Giftring zerstört. Sie war trotz aller Anstrengungen nicht mehr zu retten.

Unser Förster Alexander Fischer kümmert sich um den Restbestand der „Baumsoldaten“, die einst so stolz in Reih und Glied den Uferweg säumten. Wenn wir vorübergehen, tun wir das achtsam und mit dem Bewusstsein, dass sie die Böschung sichern, das Ufer gegen Wind und Wellen verteidigen, das Wasser und die Luft reinigen, uns Schatten spenden und die Landschaft verschönern. Wenn ich sie sehe, denke ich dabei an die Hand meines Großvaters, der sie vor vielen Jahrzehnten in die Erde gesetzt hat, zur Freude und zum Nutzen der folgenden Generationen.

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Anmerkung der Redaktion: Zitternde Pappelblätter

Der Blattstiel der Pappelblätter ist seitlich stark abgeflacht, wodurch sich die Blätter bereits bei kleinstem Wind wiegen und in die Windrichtung drehen können. Durch dieses Verwinden reduzieren sie die Angriffsfläche und schützen sich vor Windbruch, insbesondere bei ansteigenden Windböen. Dieses Phänomen passiert schon beim kleinsten Windhauch und hält in der Regel lange an, bis sich die Blätter wieder beruhigt haben. Daher kommt auch die Redewendung „Du zitterst ja wie Espenlaub“, wenn jemand vor Kälte, Angst oder Aufregung zittert.

Auch Pappeln der zweiten Generation sind nicht mehr da. Standort des Kiosk „Hafenmauer 1826“.

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