Das Torhaus in Bodman – verborgene Bestimmung

Das Torhaus in Bodman ist eines der ältesten und bedeutendsten Bauwerke am SeeEnde, doch steht es fast unscheinbar an der Seestraße und wird eher zufällig von Spaziergängern wahrgenommen, insbesondere wegen des auffälligen Erscheinungsbildes. Wer sich intensiver mit der Geschichte des Torhauses befasst, entdeckt eine außergewöhnliche Vergangenheit und eine verborgene Bedeutung dieses Bauwerkes. Leider sind nur wenige schriftliche Überlieferungen vorhanden, aber letztendlich liefert das Torhaus selbst genügend Befunde über sein Alter, seine Bestimmung und seinen Werdegang.

Für den heutigen Betrachter liegt das Gebäude zweckentfremdet und scheinbar nutzlos an einer Straßenbiegung, flankiert von einem schönen Park in Richtung Hafen und See. Das war nicht immer so. Das Torhaus lag bis zum Neubau der Seestraße 1925/ 26 unmittelbar am Seeufer und sicherte bis in das 18. Jahrhundert mit einem wehrhaften Turm und einer sich nach Süden anschließenden Mauer mit Wehrgang den Ortseingang. Im Hinblick auf die ehemaligen Siedlungskerne Alt-Bodman und Weiler, die auf dem schmalen Uferstreifen zwischen Bodensee und Bodanrück liegen, markierte das Torhaus den Schutz der Ortsgrenze und auch die Rechtsgrenze des inneren Dorfraumes gegen Westen. Bereits 1401 verlieh König Ruprecht den Herren von Bodman das Privileg der „Hohen Gerichtsbarkeit“ im Dorf Bodman. Das Torhaus hatte vermutlich nur eine geringe Wehrhaftigkeit, doch war die Toranlage in Verbindung mit den natürlichen Hindernissen, wie Bodanrück, Warthberge und Bodensee in alle Himmelsrichtungen eine ordentliche Abschnittsbefestigung.

Die älteren Einwohner von Bodman kennen noch die alten Straßenführungen und den Zustand, als das Torhaus direkt an den See grenzte. Bis zum Jahr 1925 war die alte Seestraße mehr oder weniger ein Karrenweg. Sie führte, wenn man vom Osten – also von „der Stelle“ – herkam, durch den Engpass links am Dreschtorkel vorbei und endete an einem kaum 3 Meter breiten Schlupfloch oberhalb des Gasthof Löwen. Der Dreschtorkel selbst stand damals auch noch direkt am Wasser. Von einer durchgehenden gut befahrbaren Seestraße konnte keine Rede sein. Sie wurde auch von Ross- und Kuhfuhrwerken praktisch kaum genutzt. Der Hauptverkehr von der Stelle zum Weiler ging über die obere Straße (heute Kaiserpfalzstraße), obwohl auf dieser Strecke zwei, für Gespanne schwierige Steigungen zu überwinden waren. Das änderte sich, als in den Jahren 1925/26 die neue Seestraße gebaut und die weitläufigen Uferanlagen, teils vor dem zweiten Weltkrieg, teils in den 1970er Jahren aufgeschüttet und angelegt wurden.

Nicht nur um das Torhaus herum änderte sich viel im Laufe der Zeit, sondern das Torhaus selbst erfuhr bauliche Veränderungen größeren Ausmaßes. Jüngste Untersuchungen, verbunden mit einer detaillierten Bauaufnahme, zeigen zweifelsfrei eine ehemalige Wehranlage mit einem großen Torturm, der heute nur zum Teil erhalten, baulich im heutigen Torhaus integriert ist. Im Erdgeschoß ist der Ursprungsbau mit seiner Tordurchfahrt und den Mauerzügen (Wehrmauer) auf der West- und Südseite im Wesentlichen erhalten geblieben. Im Obergeschoss sind lediglich drei Umfassungswände des ehemaligen Turms erhalten, die vierte ist abgebrochen worden. Das zweite Obergeschoss sowie das vermutete Zeltdach wurden vollständig abgetragen. Die Baustruktur der ehemaligen Wehranlage trägt ausschließlich mittelalterliche Züge, die typisch für Anordnungen dieser Art, im hohen Mittelalter des 12./13. Jahrhundert waren.

Rechts: Rekonstruktionsversuch der Westseite
Links: Abriss des Turms 1783

Die Mauern aus Bruch- und Lesesteinen, sowie die Buckelquader um den Torbogen, untermauern diesen Zeitraum der Erbauung. Die Datierung der eichenen Deckenbalken über der Tordurchfahrt unterstützt die zeitliche Einordnung der wesentlichen Bauphasen. Durch die sogenannte Dendrochronologie (Bestimmung des Baumalters) konnte das Fäll-Jahr der Eichenbalken auf 1464/65 datiert werden. Es konnten bei ihnen keine Spuren einer vorangegangenen Verwendung festgestellt werden. Das heutige Erscheinungsbild erhielt das Torhaus 1773, das Fachwerk und heutige Satteldach stammen aus dem Jahre 1783. Seither konnte das Torhaus als Wohnhaus verwendet werden. Anfang des 20ten Jahrhunderts gab es eine größere Renovierung, bei der auch das Wappen von Bodman auf der Ostseite aufgemalt wurde. Die Durchfahrt wurde 1999 komplett verglast und wird heute als Architekturbüro (Thomas Krämer, Freier Architekt) genutzt.

Aufgrund dieser vielen Veränderungen steht das Torhaus nicht mehr, wie in früheren Zeiten direkt am See, es ist vielmehr durch das Zusammenwachsen der historischen Siedlungskerne Alt-Bodman und Weiler in den heutigen Siedlungsmittelpunkt gerückt. Kennt man die verborgene Geschichte des stimmungsvollen Gebäudes, erwehrt sich der Eindruck einer Zweckentfremdung durch seine seltsame Lage, zu einer großen Hochachtung für seine ehemalige Bestimmung und wechselhaften Geschichte.

Quellenangaben: Broschüre, Bodman am See – einst und heute, Aufsatz Thomas Schaad, Landesamt für Denkmalpflege BW

Über den Autor