Das Lehmschiff – Museum unter Wasser

Mit freundlicher Unterstützung durch Olaf Trittel (TSGK e.V.)

Am Waschplatz wird nicht nur getratscht und geplantscht, es wird auch getaucht. Am liebsten im Winter, wenn das Wasser klar ist. Dass Froschmänner dort so gerne unter Wasser gehen, hat einen guten Grund. Denn in etwa 150 Meter vom Ufer entfernt ruht in 20 Meter Tiefe eines der besterhaltenen Schiffswracks des Bodensees. Es handelt sich um einen 13,7 Meter langen und 3,8 Meter breiten Segmer, Baujahr ca. 1890, den der Tauch-Club Singen e.V. im Jahr 1972 dort entdeckte.

Die Tauchsportgruppe Konstanz e.V. (TSGK), die uns freundlicherweise die Unterwasserfotos zur Verfügung gestellt und uns mit Informationen versorgt hat, bemüht sich seit vielen Jahren darum, das Denkmal geschichtsinteressierten Menschen, insbesondere Tauchern, nahe zu bringen.

Aufgrund seiner Lage in unmittelbarer Nähe zum Lettloch (heute Yachthafen Stockach) ist anzunehmen, dass der Frachter Lehm (Lett) geladen hatte, weshalb das Wrack von Tauchern und Archäologen als „Lehmschiff vor Ludwigshafen“ bezeichnet wird. Ludwigshafen, vormals Sernatingen, war für seine reichen Lehmvorkommen von guter Qualität bekannt. Der aus Schluff, Ton und Sand bestehende Rohstoff wurde über den See in die Ziegelei von Bodman oder Konstanz verschifft.

Es wird vermutet, dass das Schiff mit der Ladung kurz nach dem Auslaufen gesunken ist. Was der Grund für den Untergang war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Da es sehr viele Lastensegler gab, wurde nicht über jedes Schiff Buch geführt. War es einer der plötzlich aufkommenden Stürme, für die der Bodensee bekannt ist? Oder ist vielleicht eine zu große Ladung verrutscht? Auch übermäßiger Alkoholkonsum käme als Unglücksursache in Betracht.

Das gängige Transportmittel auf dem Bodensee, um Waren von einem Ufer zum anderen zu bringen, war zwischen dem 14. und 20. Jahrhundert die Lädine (Ledine). Diese Lastensegler hatten in der Regel eine Länge von 32 Meter und eine Breite von 4 Meter mit einer Masthöhe von 24 Meter. Sie konnten 150 Tonnen befördern. Daneben gab es kleinere Lastensegler, die sogenannten Segmer. Diese hatten eine Traglast von 7 bis 75 Tonnen und waren ca. 20 Meter lang. Lädinen und Segmer waren Sommer wie Winter unterwegs. Die Mannschaft wurde an Bord mit Brot, Speck, Käse und Dörrobst verköstigt. Um 1764 gab es auf dem Bodensee etwa tausend Frachtsegler. Mit fortschreitender Technik wurden sie durch dampf- oder motorbetriebene Schiffe ersetzt. Schließlich verlor dieses Transportmittel mit dem Bau der Bodensee-Gürtelbahn vollends an Bedeutung. Güter wurden fortan größtenteils mit der Bahn transportiert, der Lastenverkehr per Schiff sah seinem Ende entgegen. Was aber weiterhin über den Seeweg transportiert wurde, war Lehm, solange es Ziegeleien gab.


In den Häfen kam es immer wieder zu langen Diskussionen zwischen den Schiffsführern und den „Luckenmänner“, ob das Schiff überladen sei oder nicht. Sehr oft stachen die Segler mit zu großer Last in See und sanken, wenn ein Sturm über das Wasser fegte. Eine weiter Unglücksursache war, dass die Seemänner einen hohen Alkoholkonsum hatten. Nach einem alten Brauch durften sich die Männer am mitgeführten Wein bedienen. Hatte eine Lädeine zum Beispiel 150 Weinfässer an Bord, so standen jedem Schiffsmann mehrere Liter Wein zu. Was er nicht für den Verkauf aufsparte, trank er selbst während der Fahrt. Das konnten am Tag zwei bis drei Liter sein. Mit dem verstärkten Obstanbau kamen noch andere alkoholische Getränke wie Most und Kirschwasser hinzu. Das Streckennetz entlang der Uferlinie war in Kirchtürme eingeteilt. Es scheint Brauch gewesen zu sein, beim Auftauchen eines neuen Kirchturms ein Glas Kirschwasser zu trinken.


Das Wrack ist heute ein beliebtes Ziel für Sporttaucher und Archäologen. Lange Zeit kennzeichnete eine Boje seine Lage. Durch die zahlreichen Tauchgänge begann sich der Zustand des Schiffsskeletts zunehmend zu verschlechtern. Daher gab es im Jahr 2001 Überlegungen, das Relikt aus der Geschichte der Seefahrt zu bergen und auszustellen, was aus Kostengründen aber bald verworfen wurde. Um das Wrack als schützenswertes Denkmal zu kennzeichnen und Taucher zu einem umsichtigen Verhalten zu bewegen, wurde von der Tauchsportgruppe Konstanz e.V. (TSGK) in der Nähe Schiffes eine Informationstafel angebracht, mit technischen und historischen Details.

Diese Initiative ist Teil des Projekts „Museum unter Wasser“, welches der Verein, in Zusammenarbeit mit der Sektion Unterwasserarchäologie der Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg-Hohenzollern (SUWA) und mit Unterstützung des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, durchführt.

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