Das Tor zum Bodensee

Bei einer schnellen und oberflächlichen Betrachtung des Begriffs „SeeEnde“, so wie wir ihn häufig verwenden, wäre man geneigt, an diesem Zipfel des Bodensees den Abschluss, den Ausgang oder das Ende zu sehen. Woher der Begriff für diesen Seeabschnitt kommt bzw. wer ihn so geprägt hat, ist nicht wirklich klar. Auch wir verwenden ihn mit „SeeEnd-Geschichten“, allein der Historie wegen. Vielleicht ist eine mögliche Erklärung die Fließrichtung des Rheins, der bei Bregenz als Alpenrhein in den Bodensee mündet, also dort den Anfang nimmt, als Seerhein den Bodensee durchquert und als Hochrhein, bei Stein am Rhein, den Bodensee verlässt. Der Überlinger See scheint in eine lange Sackgasse zu laufen, um gleichsam dort sein Ende zu finden.

Doch zwischen Bodman und Ludwigshafen fließt die 25 Kilometer lange Stockacher Aach über die „Überlinger See“ genannte Nordwestbucht des Bodensees als rechter Zufluss in den Rhein. Richtig betrachtet haben wir hier, mit diesem Mündungsdelta der Stockacher Aach und weiteren Zuflüssen, wie z.B. die Seefelder Aach, auch einen Anfang. Aus diesem Blickwinkel wäre der Begriff „SeeBeginn“ durchaus passend. Auch am Untersee könnten sich Markelfingen oder Radolfzell, aus ihrer Sicht, als Anfangsufer des Bodensees wähnen.

So gesehen ist alles eine Frage der Perspektive. Wer von Lindau nach Bodman-Ludwigshafen unterwegs ist, wird den Beginn des Sees in Lindau sehen und das Ende hier bei uns in der Doppelgemeinde. Reisende vom Nordwesten oder Westen kommend, werden es genau umgekehrt betrachten.   

Demzufolge ist die Bezeichnung „Das Tor zum Bodensee“, wie die Zufahrt oder der Augenblick der Wahrnehmung des Wassers von verschiedenen Gemeinden am Bodensee gerne genutzt wird, durchaus die beste Alternative. Denn ein Tor steht für Eingang und Ausgang, für öffnen und schließen, für Durchlass und Einlass und in früheren Zeiten besonders für Schutz und Heimat.

Auch wir haben auf der Gemarkungsgrenze Bodman-Ludwighafen und Stockach auf dem Blumhof-Kreisel eine Skulptur mit der Bezeichnung „Das Tor zum Bodensee“. Das Stadtmarketing Stockach wirbt intensiv mit diesem Slogan und das ist völlig ok. Aus Stockach kommend ist es in der Tat das Einfallstor zum vielleicht schönsten Bodenseeabschnitt. Aus Sicht unserer Doppelgemeinde ist es das Eingangstor für Urlaub und Entspannung, der Einstieg für Lebensfreude und Erholung, der Zugang für Genuss und Natur, jedem Gast ist Tür und Tor geöffnet.

Auch früher waren monumentale und symbolträchtige Stadttore selten direkt im Anschluss an das Zentrum, sondern in guter und sicherer Entfernung. So gesehen steht die Skulptur im Gewerbegebiet Blumhof gewissermaßen an der Gemeindegrenze (-mauer) – also gut platziert.

Verweilen wir einen Augenblick bei der Skulptur, die von Ursula Haupenthal konzeptioniert und entwickelt wurde und erfahren die Symbolkraft des Objektes.
Vorausgegangen war die Einladung für einen Wettbewerb vom Zweckverband Blumhof im Jahre 2007, mit dem Bewerbungstitel „Das Tor zum Bodensee“.


Die Skulptur ragt mit einer stattlichen Höhe von 5,50 Metern auf und ist weithin sichtbar ein Wegweiser, nicht nur verkehrstechnisch, sondern auch symbolisch.
Zwei große Metallflügel mit je 2,10 Metern Breite und 5,50 Metern Höhe sind in einem Winkel von 60 Grad aufgestellt und  zeigen damit, wie ein überdimensionaler Pfeil, in Richtung Bodensee.  Sie sind in der Farbgebung silbrig grau, an den Breitseiten mit Aluminiumgusshaut beplankt, deren Oberfläche stark strukturiert ist. Für Ursula Haupenthal war es ein besonderes Anliegen, Material aus der näheren Umgebung zu verarbeiten. So entschied sie sich für diese Aluminiumgusshaut, die beim Herstellungsprozess bei der StockachAlu (Nenzinger Straße) entsteht. Die Trenn- und Sperrschicht aus Öl, zwischen der Klotte aus Stahl und dem flüssigen Aluminium, bewirkt eine starke Struktur auf der Aluminiumhaut, die wie Molasse erscheint, die in Sedimentablagerungen von Gletscherseen, also auch dem Bodensee, zu finden sind.

Die beiden Flügel nehmen jeweils zehn an den beiden Seiten hintereinander nach innen gestaffelte Altuglasplatten in ihre Mitte, welche im sogenannten Negativraum die Form des Bodensees bilden. Da die Konturlinien dieser Altuglasplatten an den Kanten gefräst sind, entsteht eine Bewegung und Sogwirkung zur Mitte, also zum See hin. Das Altuglas, das im Licht eine changierende (verschiedenfarbig schillernde) Wirkung entfaltet, wird durch die Staffelung zur Wellenbewegung. Die lichtdurchlässigen hellen, in mehreren Blau- und Grüntönen leuchtenden Altuglasplatten beleben die Skulptur und erzeugen eine ganz eigenwillige Aura, die sich im Umraum entfaltet. Bei Nacht wird dieses Phänomen noch verstärkt, denn das Glas wird von Schwarzlicht hinterleuchtet, so dass die Umrisse des Sees von weitem zu sehen sind. Dies hat eine fast magische, faszinierende Wirkung, die auch in der dunklen Jahreszeit einen Akzent setzt und den Weg zum See weist.


Somit steht die Skulptur für eine Verknüpfung von Landschafts-, Verkehrs- und Kunstraum, die das wiedergibt, was auch die Region auszeichnet: Kultur, Natur und Moderne formtechnisch vereint und zugleich mit der Symbolkraft des Tores, welches den Zauber für die Bodenseelandschaft öffnet.
Beinahe wäre die Skulptur einer neuen EU-Verordnung zum Opfer gefallen, die alle größeren und feststehenden Teile auf Verkehrsinseln verbietet. Durch eine geschickte Lösung, mit einem umlaufenden Kiesbett, konnte das Objekt gerettet werden.

Für uns Einwohner von Bodman-Ludwighafen bedeutet SeeEnde nicht eine philosophische Auseinandersetzung von Anfang und Ende, Alpha oder Omega, sondern ist vielmehr ein Lebensgefühl, eine Heimatverbundenheit. Entscheidend ist der Moment beim ersten Erhaschen des Sees aus Stockach oder Espasingen kommend und das Glücksgefühl, jetzt sind wir am Ziel. Ob Urlaubsziel unserer Gäste oder Zuhause für uns Einwohner. Somit ist es immer wieder ein Beginn am SeeEnde.


Die Verbundenheit mit unserem „SeeEnde“ beschreibt auf wunderbare Weise die Komposition aus Musik und Liedtext von Rainer Ehmann: „Hier am SeeEnde“. Uraufführung war im Jahre 2009 bei der Veranstaltung „Classic meets Pop“ im Schlösslepark. Gemeinsam vorgetragen vom Musikverein Ludwigshafen und Kirchenchor St.Otmar, anzuhören in der beigefügten Audio-Datei.

Hier am See-Ende, da bin ich zu Haus
Ludwigshafen und Bodman, da kenn ich mich aus
Dieses Land, diese Menschen, die Berge, der See
Das ist meine Heimat, werd nie von ihr gehn

Audio-Datei: „Hier am SeeEnde“
Originalaufnahme vom Konzert „Classic meets Pop“ 2009, mit MVL und Kirchenchor St.Otmar

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