Zeppelinwerft in Ludwigshafen II – Der Wahrheit näher gekommen

Mit freundlicher Unterstützung von Roland Scherer, Holger Kaupert und Frau Stoffel-Schwarz.

Als wir am 29.07.2021  unseren Beitrag zur Zepplinwerft in Ludwigshafen veröffentlichten, tappten wir völlig im Dunkeln. Auf einer alten Postkarten hatten wir, kaum sichtbar, in der Bucht zwischen dem Hafen und dem Strandbad in Ludwigshafen eine seltsame gitterartige Struktur entdeckt, die viele Fragen aufwarf. Was hatte es mit diesem Gerüst auf sich? Handelte es sich dabei vielleicht bloß um ein ungewolltes Artefakt, verursacht durch eine unsaubere Druckvorlage, zumal die Ansichtskarte von keiner besonderen Qualität ist? Oder war es eine Fotomontage und eine verkaufsfördernde Strategie eines geschäftstüchtigen Verlages, um den kleinen Ort am Seeende durch eine moderne Konstruktion bedeutungsvoller erscheinen zu lassen, wie später auf Nachfrage ein Mitarbeiter des Zeppelinmuseums in Meersburg vermutete? Weshalb findet sich dieselbe Struktur dann aber an genau derselben Stelle auch auf Ansichtskarten anderer Verlage wieder? Kein Mensch im Ort hatte eine Erinnerung an dieses Konstrukt oder eine Erklärung dafür.

Doch dann stießen wir auf eine Randnotiz in der Postkartensammlung von Gerda Winterhalter, geb. Sulger, in der es heißt: „Auf dem Gerüst am See sollte ein Zeppelin gebaut werden. Ab Haus Mollweide in Richtung Strandbad.“ Unglaublich! Ist hier etwa eine Konstruktionshalle zum Bau von Zeppelinen abgebildet? Woher hatte sie diese Information?  Warum haben die Altvorderen nie von einem derart auffälligen Bauwerk und einem solch spektakulären Vorhaben berichtet?

Eine weitere Ansichtskarte, auf der ein Zeppelin über Ludwigshafen zu sehen ist, ließ uns annehmen, dass beide Dinge in Beziehung zueinander stehen könnten. Aber mehr war bis dato nicht in Erfahrung zu bringen und so bewegte sich alles vorerst im Reich reiner Spekulation.

Doch der Artikel „Zeppelinwerft in Ludwigshafen- War das wahr?“ rief Hobby-Historiker auf den Plan, die durch Recherchen in einem Online-Archiv (www.digishelf.de) in alten Lokalzeitungen Licht ins Dunkel brachten. Zunächst steuerte Holger Kaupert mehrere Zeitungsausschnitte bei, die von der Überführung einer Zeppelinhalle von Manzell nach Ludwigshafen zur dortigen Demontage berichten.

Dann brachte uns Frau Stoffel-Schwarz eine Fotokopie aus den Erbsachen ihres Vaters, auf der die Überführung einer Zeppelinhalle durch zwei württembergische Dampfer zu sehen ist.

Und schließlich erhielten wir von Roland Scherer, auf den die Welt der Zeppeline seit seiner Kindheit eine besondere Faszination ausübt, eine umfangreiche, thematisch geordnete Sammlung alter Zeitungsausschnitte, welche die bereits vorliegenden Pressemeldungen durch viele spannende Details bereichern.

Damit sind wir der Wahrheit ein großes Stück näher gekommen und können jetzt zusammenfassend sagen:

  • 1908 gab es tatsächlich Überlegungen, die Produktionsstätte der Luftschiffflote von Manzell an das nordwestliche Seeende zu verlagern, da dies meteorologische und militärstrategische Vorteile versprach.
  • Im November 1909 wurde eine „Ballonhalle“ von zwei Dampfern nach Ludwigshafen geschleppt und zwischen Schlössle-Park und Strandbad vertäut.
  • Am 20. Januar 1910 riss sich die Konstruktion bei einem schweren Südweststurm aus der Verankerung und driftete Richtung Sipplingen ab.
  • Im Mai 1910 wurde die Halle vor das Zollamt gezogen und war durch einen Steg von nur fünf Metern Länge mit dem Land und dem Bahngleis verbunden.
  • Die Demontage dauerte mehrere Monate und wurde von Arbeitsunfällen überschattet.
  • Die Montagehalle wurde von einer Firma Buß & Co., die sie erst drei Jahre zuvor für 600.000 Mark geliefert hatte, für ein Zehntel der einstigen Kosten zurückgekauft, um sie an anderer Stelle wieder aufzubauen. Für die Firma ein lukratives Geschäft, für das Deutsche Reich ein herber finanzieller Verlust.
  • Offenbar hatte auch die italienische Regierung Interesse am Kauf der Halle bzw. an einzelnen Bauteilen bekundet. Aber vertragliche Bedingungen untersagten die Veräußerung ins Ausland.
  • Die Halle und ihr Rückbau erregten großes Öffentlichkeitsinterresse, was einen hiesigen Beherbergungsbetrieb auf dem Oberhof veranlasste, einen Erweiterungsbau in Betracht zu ziehen.
  • Fotograf Hotz hat die Halle und deren Demontage fotografisch dokumentiert und davon Ansichtskarten angefertigt. (Expemplare davon liegen uns noch nicht vor.)
  • In einer englischsprachigen Enzyklopädie von 1996 über „Die europäischen Mächte des Ersten Weltkriegs“ ist zu lesen, dass Wasserflugzeuge des Britisch Royal Naval Air Service (RNAS) am 21. November 1914 den Bodensee überflogen, um in Friedrichshafen die Zeppelinfabrik und in Ludwigshafen „sheds“ (dt. Hangar, Halle, Schuppen) zu bombardieren.
  • Für die Fahrten des Luftschiffes „Graf Zeppelin“ zum Mittelmeer und nach Amerika im Jahre 1929 wurden für die Verpflegung von Passagieren und Besatzung Äpfel aus der Gräflichen Bodman´schen Schlossgärtnerei geordert in einer Größenordnung von einem Zentner. Boskopf ahoi!

Einige Fragen sind dennoch offen.

  • Warum wurde die Halle in Ludwigshafen und nicht in Friedrichshafen selbst abgebaut, zumal sich dort die Bahngleise ja auch in Ufernähe befinden? Sollte die Halle nicht vielleicht doch ursprünglich Produktionszwecken in der geschützten Bucht des Seeendes dienen?
  • Wie konnte ein solches Großereignis komplett aus dem kollektiven Gedächtnis unserer Gemeinde verschwinden?
  • Was wurde 1914 vom Royal Naval Air Service (RNAS) in Ludwigshafen bombardiert, wenn die Zeppelinhalle Mitte 1910 schon weitgehend abgebaut war?

Zeppeline wurden anfangs bevorzugt auf dem Wasser gebaut.

(Historische Aufnahmen aus dem Internet)

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