Nicht so fulminant wie Schillers Glocke, aber durchaus eine interessante Geschichte um unsere ehemalige Rathausglocke, deren Weg zum endgültigen Bestimmungsort mehrere Stationen durchlief.
Heute muss die Glocke werden, frisch, Gesellen, seid zur Hand!
So könnte auch der Beginn unserer Rathausglocke im Jahre 1864 gewesen sein, als sie mit Meisterhand aus Lehm gebrannt den Weg nach Ludwigshafen angetreten hatte. Angeschlagen wurde sie bei unterschiedlichsten Anlässen. Bei Hochfesten, wichtigen Versammlungen oder bei Gefahr tat sie ihren Dienst und informierte zuverlässig die Einwohnerschaft. Einige Jahrzehnte wachte sie stolz auf dem alten Rathaus, bis sie am 20. April 1941 von der Gemeindevertretung als Kriegsspende zum Geburtstag des Führers an die Wehrmacht übergeben wurde. Sie erlag dem gleichen Schicksal wie viele andere Glocken und wurde zwecks Waffenproduktion eingeschmolzen.
Nie wieder sollten die süßen Klänge der Glocke zu hören sein, verstummt in der Gluthitze der Schmelztiegel.
Über 10 Jahre blieb der Glockenturm auf dem Rathausdach leer. Dann entschied sich der damalige Bürgermeister Hans Klingler für eine neue Glocke, die im Jahre 1952 bestellt, gegossen und installiert wurde. Bis zum Abriss des alten Rathauses 1966 tat sie ihren Dienst und versank dann lange Zeit in der Bedeutungslosigkeit. In einer Ecke im früheren Rathaus in der Rathausstraße verweilte die Glocke, bis sie über ein paar Zwischenlagerungen den endgültigen Platz beim neuen Zollhaus-Rathaus fand. Nicht mehr so hoch oben, wie zu Beginn ihrer Karriere, jetzt aber nahbarer für die Einwohner und Besucher. Einen großen Auftritt hatte die Glocke noch beim Musical Stettelberger 1 im Jahre 2000, als der Nachtwächter Franz (Bernhard Hock) die Glocke theatralisch erklingen ließ. Ab und zu wird sie auch heute noch heimlich angeschlagen, dann erzählt sie ihre Geschichte und die ihrer Vorgängerin. Sicher verstehen ab sofort viel mehr Bürger, was das Glöcklein uns sagen will.
Neben ihrer eigentlichen Funktion war die Glocke ein besonders beliebtes Ziel bei einheimischen, schießwütigen jungen Burschen. Sie waren stets auf der Suche nach Objekten, die einen Treffer akustisch untermalten, wie blecherne Werbe- oder Straßenschilder oder auch ganz gerne mal die Rathausglocke. Manch einer hat sich damals gewundert, warum das Glöcklein oft außer der Reihe bimmelte. Die Spuren des Beschusses sind heute noch deutlich zu sehen. Mehr dazu im Beitrag "Blaue Bohnen" für Kirchgänger.