Eines der höchsten und auch viele Jahrhunderte alte Gebäude am SeeEnde ist die Pfarrkirche St. Otmar in Ludwigshafen, mit ihrem weithin sichtbaren und elegantem Kirchturm.
Nach einer Reise aus der Fremde bewirkt der Anblick des Turmes, während der Holder-Abfahrt aus Stockach kommend, einen kleinen Adrenalinschub und das unverwechselbare Gefühl von Heimat.
Auf keinem noch so alten schwarz-weiß Foto oder auf historischen Zeichnungen fehlt der imposante Turm in zentraler Lage der Gemeinde.
Die Kirche in Ludwigshafen wurde erstmals 1155 in den Urkunden erwähnt. Damals stand an dieser Stelle eine Kapelle, mit einem dazugehörigen Hof. Die Kirche ist seit 1529 dem Heiligen Otmar gewidmet und das Patronat über die Kirche gehörte im Mittelalter der Stadt Überlingen. Damals hat man die Kirche im Stil der Romantik offenbar neu gebaut.
Die heutige Pfarrkirche wurde erst im 18. Jahrhundert (1777/1780) im Barockstil errichtet und im 19. Jahrhundert erweitert. Nur der Turm ist im Unterbau noch aus der Zeit der Romanik und enthält Bauteile aus dem 13./14. Jahrhundert. Gewölbereste im Turm-trackt zeigen heute noch die alten architektonischen Züge des Ursprungs. Der 52 Meter hohe Kirchturm wurde bei der Entstehung sozusagen an-, um- und teilweise auf die alte Kapelle gebaut. Das in Stufen geplante Giebeldach hatte schon zu Beginn die einmalige und ansehnliche sechseckige Spitze.
Das Kirchenschiff wurde wegen des schlechten Bauzustandes 1961 abgebrochen. Der Turm und der Chorraum mit dem großen Rundbogen blieben stehen und später mit dem neuen Kirchenschiff verbunden. Etwas nackt und verlassen trotzte der Turm allen Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen der Folgejahre 1962 – 1964.
Während dieser Arbeiten wird auch der Turm saniert und verliert dabei seine typischen Stufengiebel, die durch Schrägen ersetzt werden, wie sie heute noch zu sehen sind.
Neben den äußeren, für alle sichtbaren Verwandlungen der letzten Jahrzehnte, gibt es auch einige interessante „Innere Werte“ des Kirchturms. Wahrscheinlich konnten bisher nur wenige Einwohner einen Blick darauf erhaschen und den (heiligen) Geist der Vergangenheit spüren.
SeeEnd-Geschichten ermöglicht einen kleinen „backstage“ Rundgang, übersetzt bedeutet das hinter die Bühne oder Kulissen schauen, in unserem Falle hinter die dicken Mauern.
Ein Blick hoch oben in die sechseckige Spitze, zeigt die tragende Holzkonstruktion, eine handwerkliche Meisterleistung. Ganz oben auf der Spitze das eiserne Kreuz mit einem Gewicht von 150 Kg und einer Höhe von ca. 3,2 m. Darunter befindet sich eine goldene Kugel mit einem Durchmesser von ca. 60 cm, die bei jeder Zugriffsmöglichkeit mit aktuellen Pfarrei-Daten und einer Tageszeitung bestückt wird. Die letzte Füllung war im Jahre 2006, während der Kirchturm-Renovation.
Hinter den blauen Holzlamellen befindet sich das Geläut mit einer ungewöhnlichen Historie. Dazu mehr im Beitrag „7000 Jahre Glockenklang“.
Im unteren Drittel des Turms befindet sich ein mechanisches Räderuhrwerk. Es stammt aus dem Jahre 1903 und funktionierte über 100 Jahre lang präzise, bevor es elektrifiziert wurde. Über eine 18 m lange Pleuelstange werden die 4 Zifferblätter seit fast 120 Jahren minutengenau angetrieben. Eine erstklassige Arbeit der Firma Schneider aus Schonach im Schwarzwald.
Im Untergeschoss des Turmes entdecken wir ein spätgotisches Sakramentshäuschen. Es handelt sich hierbei um ein steinernes, in die Mauer eingelassenes Gehäuse aus dem 14. Jahrhundert zur Aufbewahrung der geweihten Hostien. Heute werden die Hostien im Tabernakel auf dem Altar aufbewahrt, könnten aber nach dem 2. Vaticanum (1962 – 1965) wieder in der vergitterten Nische untergebracht werden.
Der Zutritt zum Turm erfolgt in der Sakristei durch eine alte Holztüre, die aufgrund ihrer geringen Höhe von 1,65 m eine demütige Verneigung erzwingt. Dies nicht aufgrund einer planerischen Absicht, sondern vielmehr durch die Bodenunebenheiten, die es im Zuge der Baumaßnahmen auszugleichen galt.
Beim Betreten des Turmbereiches weht dem Besucher nicht nur ein leicht moderiger Geruch entgegen, sondern auch die vielen historischen Ereignisse, die der Turm hinter seinen Mauern bewahrt. Diese Besonderheiten enthüllt er gerne dem aufmerksamen und achtungsvollen Beobachter – auch während eines virtuellen Rundgangs.