Verborgene Burgen

Mit freundlicher Unterstützung durch Wolf-Dietrich Specht

Ob es ein Fluch oder Segen für die Menschen von „niedrigem Stande“ war, wenn sich über ihren Häusern und Hütten eine wehrhafte Burg erhob, die sie selbst errichten und von deren Herren sie sich beherrschen lassen mussten, ist eine Frage, auf die es je nach geschichtlicher Quelle und Epoche unterschiedliche Antwort geben wird. Als wehrlose Ruine stellt sie heute aber allemal eine Attraktion dar, die nicht nur Touristen fasziniert, sondern auch Alteingessene jeglichen Standes mit Stolz erfüllt.

Der Bodanrück ist mit einigen noch sichtbaren Relikten aus historischer Zeit besonders begünstigt, die alle in Land- und Wanderkarten verzeichnet sind: Ruine Alt-Bodman, Frauenberg, Ruine Kargegg, Burg Alt-Dettingen. Auch auf der anderen Seeseite erhebt sich über Sipplingen an exponierter Stelle die ehemalige Höhenburg „Althohenfels“.

Aber weshalb findet sich auf der Gemarkung Ludwigshafen nichts dergleichen? Sollte dieser Ortsteil tatsächlich burgenfrei gewesen sein? Gibt es hier keine Felsensporne von strategischer Bedeutung? Lebten hier etwa keine begüterten Familien? Mitnichten! Doch ist von allen bekannten oder vermuteten Burgstellen nicht viel mehr übrig geblieben als eine auffällige Erdformation, ein paar behauene Steine, eine charakteristische Flora oder ein spekulativer Hinweis in Form von Flur- und Familiennamen. Eine Übersicht über drei nachgewiesene und zwei vermutete Burgstellen findet sich in der Dissertationsarbeit von Hans-Wilhelm Heine „Studien zu Wehranlagen zwischen junger Donau und westlichem Bodensee“ (Stuttgart 1978). Von zweien, dem „Spitalschlössle im Ortsteil Ludwigshafen und der Klausenburg nordwestlich der Höfe Unter- und Oberlaubegg, wird an anderer Stelle der SeeEnd-Geschichte(n) ausführlich berichtet.

Doch es gibt offenbar noch weitere solcher geschichts­trächtigen Plätze, die -verborgen und unerforscht- nur wenigen Insidern bekannt sind. Einer davon ist Wolf-Dietrich Specht.  Er hat uns auf die Burgstellen im Gewann Hallerstein und dem Kohlberg aufmerksam gemacht und uns folgende Beschreibung zukommen lassen.

Die Ruine „Hallerstein“ liegt auf einem Felssporn nordwestlich von Ludwigshafen auf einer Höhe von 500-520 m, also gut 120 m höher als der See. Ein herrlicher Ausblick übers Mühlbachtal zum Überlinger-See und dahinter liegender Alpenkette. Das Dorf liegt der Ruine sehr übersichtlich zu Füßen. Zu erreichen ist die Ruine über den Regentsweilerweg, etwa 1 km von der Bergstraße südlich des Weges oben am Schwenkental. Es sind heute noch Reste der Umfassungsmauer sowie Steine und Mauern vorhanden, die eindeutig auf eine Burg oder Wacht ähnliches Gebäude schließen lassen. Der Standort ist als Kegel zu erkennen. Das Gelände ist zum Regentsweilerweg relativ flach, fällt aber in Richtung Tal sehr steil ab. Da die Ruine auf einem Molasserücken sitzt, sind Teile noch gut zu erkennen. Über die Grundherrschaft ist nichts bekannt. Wer die Höhenburg „Hallerstein“ erbaut hat, wann sie errichtet und wann sie aufgegeben wurde, müsste erforscht werden. Experten des Hegau Geschichtsvereins e.V. gehen davon aus, dass die Ruine Hallerstein mit dem Lehen Regentsweiler in Verbindung steht und eigentlich an die Markung Regentsweiler angrenzt.

Die strategische Bedeutung des Ortes unterstreicht die Einlassung eines trigometrischen Punktes an dieser Stelle zur Erhebung geodätischer Daten, die der wissenschaftlichen Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche dienen.

Ein weiteres Indiz für die einstige Existenz einer Burgstelle, sieht Wolf-Dietrich Specht im Bewuchs durch das „Kleine Immergrün“ (Vinca minor), das vorort nur im Bereich des Mauerwerks anzutreffen ist. Bei Wikipedia lesen wir dazu: „In Mitteleuropa ist das „Kleine Immergrün“ als Kulturrelikt zu bewerten, das in Süddeutschland seit der Römerzeit auftritt, aber auch auf mittelalterliche Ansiedlungen hindeuten kann. Da die Fernausbreitung fast ausschließlich über den Menschen erfolgt, zeigen Standorte im Wald meist noch heute die Lage ehemaliger Burgen und Siedlungen an. Es gehört damit zu den Stinsenpflanzen bzw. Burggartenflüchtlingen.“

Auch auf dem Kohlberg stößt man auf vielsagende Bodenformationen und auffällige Steinstrukturen, die auf eine alte Burgstelle hindeuten, ebenso wie der Namen des sich am Fuße des Bergrückens befindenden Tales. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass seine heutige Bezeichnung „Burtal“ aus dem Wort „Burgtal“ hervorgegangen sein könnte.

Dass die Burgstellen im Ortsteil Ludwigshafen dem Verfall und dem Vergessen preisgegeben waren und verschwunden sind, mag ihrer geringen historischen Bedeutung und ökonomischen Überlegungen geschuldet sein. Ein weiterer Grund ist aber gewiss auch darin zu suchen, dass sich von ihren Erbauern keine bis in die Neuzeit reichende Erblinie erhalten hat, die Anwesen mehrfach den Besitzer gewechselt haben und es daher keine direkten Nachfahren gibt, die im Interesse ihrer Familienchronik und der Konsolidierung ihrer Abstammungs- und Besitzverhältnisse auf die Bewahrung dieser geschichtliche Zeugnisse Wert legen könnten.

Ganz anders in Bodman. Die Ruine Alt-Bodman verdankt ihren Erhalt den Bemühungen der gräflichen Familie. Schon 1851 verfügte Sigmund Freiherr von und zu Bodman testamentarisch, dass die Ruine Alt-Bodman zu erhalten sei. Johann Otmar Graf von und zu Bodman veranlasste 1900 eine erste Sanierungsmaßnahme, die aufgrund von Rissbildung durch Blitzschlag nötig geworden war. 1922 folgte eine weitere kleinere Sanierung. Im Jahr 1956 ließ Johannes Graf von und zu Bodman die Ruine unter Beratung und Förderung des Landesdenkmalamts in Freiburg erneut umfangreiche Erhaltungsmaßnahmen zur Sicherung des Ruinenbestandes durchführen, um Teile des Mauerwerkes vor dem Einstürtzen zu bewahren. 1997 wurde die Ruine durch den heutigen Besitzer, Wilderich Graf von und zu Bodman, erneut von Baumbewuchs befreit. 2003 beauftragte er ein Überlinger Architektenbüro mit einer weiteren Sanierung in Abstimmung mit der Denkmalbehörde in Freiburg, um das Objekt zu erhalten und die Besucher vor Steinschlag zu schützen.

Sicher würde es sich lohnen, den Burgstellen im Ortsteil Ludwigshafen ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, allein der schönen Aussicht wegen. Ein solcher Versuch wurde in den 90er Jahren von der Gemeinde und dem Kur- und Verkehrsverein in unmittelbarer Nähe der Burg Hallerstein unternommen. Leider ist der Rastplatz danach durch umfangreiche Aufforstungen unattraktiv geworden und dadurch selbst wieder zur „Ruine“ verfallen.

Jetzt, da die Marienschlucht in Bodman dauerhaft gesperrt ist und auch die Begehung des Schluchtweges „Fritschi-Thum“ nicht immer gewährleistet werden kann, sollten touristische Alternativen dieser Art nicht ungenutzt bleiben. Der Blick von der Burgstelle Hallerstein böte, wenn ihn nicht Bäume und Sträucher verstellten, eines der schönsten Panoramas von Ludwigshafen, wie es auf zahlreichen Postkarten zu sehen ist.

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