Weilerkapelle – Fels in der Brandung

Seit mehr als 500 Jahren steht das kleine Gotteshaus, die Weilerkapelle, am Ortseingang von Bodman. Komplett von Straßen umgeben, trotzt sie als christlicher Fels der täglichen Verkehrsbrandung, welche um sie herumtobt. Für viele ist sie nur auffällig, weil sie scheinbar lästig im Weg steht und alle Straßenzüge kompliziert im Dreieck um sie herum gebaut werden müssen.

Doch dem aufmerksamen Betrachter sendet sie eine leise Botschaft:
„Reisender in Eile, verweile. Ruhe dich aus bei mir, deshalb stehe ich hier“.

In der Tat könnte sie mit ihrer 500-jährigen Erfahrung einiges erzählen.
Die Weilerkapelle stand nicht immer so zentral, geradeso wie heute.
Wie der Name ausdrückt, war sie zunächst ein kleines Gotteshaus (Kapelle) für einen Weiler.
Ein Weiler ist eine Wohnsiedlung, die aus wenigen Gebäuden besteht, deutlich kleiner ist als ein Dorf, aber größer als eine Einzelsiedlung. Das Wort ist im Mittelhochdeutschen in der Form „wīler“ vorhanden und ist die eingedeutschte Form des mittellateinischen Wortes „villare“ (Gehöft), das auf das Adjektiv „villaris“ (zum Landgut gehörig) zurückgeht, das wiederum vom Substantiv „villa“ (Landgut, Gutshof) abgeleitet ist.

Diese Siedlungsform war im süddeutschen Raum, in der Schweiz und Österreich häufig anzutreffen. Dabei handelte es sich ursprünglich um Siedlungen für Arbeiter und Bauern, die in abgelegenen Gebieten arbeiteten und nicht täglich den mühsamen Weg von der Stadt oder deren Verwaltungsbezirk zur Arbeit und zurück gehen konnten. Es ist davon auszugehen, dass auch diese „Weiler-Siedlung“ eine Art Vor-Ort von „Altbodman“ war und deutlich westlich des Torhauses lag.

Die Kapelle im Weiler war für die hart arbeitenden Menschen eine wichtige Bet-, Gottesdienst- und Andachtsräumlichkeit, die sie regelmäßig aufsuchten. Meist in der Morgen- und Abendröte trafen sie sich zum stillen Gebet, tankten Kraft und Lebensmut für den beginnenden Tag oder verneigten sich in tiefer Dankbarkeit für das gelungene Tagwerk und eine gute Ernte.

Das Gotteshaus in der heutigen Form wurde ca. im Jahre 1700 errichtet, Untersuchungen zur Folge unter Verwendung von gotischen Mauerteilen des Vorgängerbaus von 1472.
Aus der Chronik „Bodman – Dorf Kaiserpfalz Adel“ ist zu entnehmen, dass die Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes sowie des Evangelisten Johannes und des Heiligen Kreuzes geweiht wurde. Wie die meisten Kapellen, ist auch die Weilerkapelle eher ein schlichter, einschiffiger Putzbau, mit einem Glockentürmchen und einem angesetzten Chorraum. Renovierungen gab es bekanntlich in den Jahren 1888, 1934 und 1962.

Insbesondere im Jahr 1962 gab es Änderungen, die heute die Kapelle im Innern noch maßgeblich prägen. Zum einen ist das die hölzerne Felderdecke (Kassettendecke), die im besagten Jahr neu eingezogen wurde und zum anderen das große Ölgemälde über dem Altar, welches aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert stammt. Darauf dargestellt ist das Leiden, Sterben und die Auferstehung Jesus Christus. In vielen Details ist die Kreuzschleppung, der Fall Christi unter dem Kreuz, seine Verspottung, die Grablegung, die Auferstehung und die Erscheinung vor Maria Magdalena dargestellt.

Zwei weitere Ölgemälde befinden sich über der Sakristei, die sich im hinteren Bereich der Kapelle befindet. Die beiden Bilder zeigen Darstellungen des Todes des Heiligen Josephs und Antonius von Padua. Links und rechts an den Wänden befinden sich Holzfiguren, die auf der linken Seite St. Anna Selbdritt mit Maria und Jesuskind darstellt, auf der rechten Seite die Figur der Pieta und eine Maria-Figur mit dem gekreuzigten Jesus. Durch sechs große Wabenfenster im Schiff und Chorraum wird die Kapelle sanft mit Tageslicht durchflutet.

Wenn wir den Begriffsursprung „Kapelle“ näher betrachten, wird uns die ursprüngliche Bedeutung noch bewusster. Es ist die spätlateinische Bezeichnung für „cappa“, eine Art Kopfbedeckung, nämlich Mantel mit Kapuze, Kappe. Es war der Aufbewahrungsort des Mantels des Hl. Martin (Bischof von Tours, etwa 316 – 397), über welchem die fränkischen Könige einen Raum zum Beten errichtet hatten. Die Bezeichnung des Kleidungsstückes wurde in der Folge auf den Aufbewahrungsraum übertragen, woraufhin sich die Bedeutungen später auf alle kleineren Gotteshäuser übertrug.

Auch kleine, abgeteilte Räume in größeren Gotteshäusern wurden Kapelle genannt, die für einfache Gottesdienste, Taufen und dergleichen von einer Gemeinde genutzt wurden. Später wurde die Bezeichnung auf Sänger und Musiker übertragen, die häufig in diesen abgeteilten Räumlichkeiten musizierten. Im täglichen Gebrauch sind Chorkapelle, Musikkapelle, Staatskapelle, Kapellmeister, etc. zu finden, ohne den Gedanken an seine Herkunft.

Für manche wird die Weilerkapelle nur ein lästiges Verkehrshindernis bleiben. Für viele ist sie jedoch ein ruhender Pol in unserer hektischen Zeit, den unsere frommen Vorfahren mit Bedacht gebaut, erweitert und gepflegt haben. Gott sei Dank!

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