„Etz loss dônaa!“ – Gedanken zum Tag der Muttersprache

Oje! Wa sind miër, dië wo vum Dorff id Stadt uff d’Obberschul gangë sind, vu manche Leerer vusekklet wôrre, wemmer it schää Hochdeitsch hônd kënnë schwätze. Si hônd uns ammel gfrôget: „Wie heißt Blôôtër auf Hochdeutsch?“ Und wer denn immer no „Blaater“ gseit hätt, der isch uusglachet wôrre und hätt de Schprôchtescht it beschtandë. I wôss heit noit warum.

Aber s’kunnt nô schlimmer! Wëmmër denn endlich „räät schwätzë“ gleert hônd und vu dë Schul widder hômm kummë sind und dert immër nô schää Hochdeitsch gschwätzt hônd, denn hômmër widdër ônne uff dë Dekkël kriëgt. Denn hônd d’Leit gseit: „Schwätz räät, oder mônscht etz, du bisch ëppäs Bessërs?“

Jô, des war it ôfach, immer de richtig Tônfall z’vuwischë.

Erscht heit woss i, dass mir it räät oder falsch und au it guët oder schläät Deitsch gschwäzt hônd, sondern dass mers mit zwei vuschidne Schprôchë z’dennt ghett hônd. „Hochdeitsch“ war unsre erschte Fremdschprôch. Mir warët also schô vu klei uff zweisprôchig. Und mit Englisch hommër gli messë ä dritte leerë.

So. Etz käänts aber si, dass es am SeeEnd ähebbë mee Leit giit, wo unsere Schproch nummë vuschtond. Drum schriib i etz i dë Schriftschprôch weiter. I hoff, sisch nämed wiëtig.

Das Schönste an der Mundart ist ihre Seele, heißt es. Jene, die sie sprechen, wissen, dass sich in der Schriftsprache viele Botschaften niemals so tiefgründig und prägnant übermitteln lassen, wie dies in ihrer Mundart möglich ist. Denn Mundart ist wie jede Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel. Sie bedeutet Zugehörigkeit und Identität; sie steht für ein Lebensgefühl und einen Weltanschauung; sie hat ihren eigenen Humor und ist Heimat.

Der Slogan: „Wir können alles, außer Hochdeutsch“, mit dem Baden-Württemberg fürs „Ländle“ wirbt, zeugt zwar von Selbstbewußtsein und klingt lässig, ist aber aus Sicht der Sprachwissenschaft nicht ganz richtig. Denn, wenn irgendwo in Deutschland „Hochdeutsch“ gesprochen wird, dann im äußersten Süden der Nation gen Alpen, nämlich dort, wo das Land topografisch am höchsten ist. Die Region um Hannover in Niedersachsen, der wir per Gesetz unsere Schrift-, Standard-, National-, Verkehrs- oder Amtssprache verdanken, (wie immer man sie nennen möchte) könnte flacher nicht sein und zählt daher zum Sprachraum des Niederdeutschen.

Dieses falsche Synonym „Hochdeutsch“ für „Schriftdeutsch“ suggeriert, dass es sich dabei um eine gehobenere Sprache, eine korrektere Ausdrucksweise, ein besseres Deutsch handelt. Damit einher geht häufig eine Diskriminierung anderer Regionalsprachen, denen der Status einer eigenständigen Sprache abgesprochen und der Stellenwert einer bloßen Mundart zugewiesen wird.

Und wie steht es mit unserem geliebten Alemannisch? Ist es nun eine Sprache, ein Dialekt oder etwa nur schlechtes Deutsch, wie man uns in vergangenen Tagen weiszumachen versucht hat?

Alle, die wir Alemannisch, genauer gesagt See-Alemannisch sprechen, wissen, dass wir manche Worte nicht nur anders aussprechen, als in der Standardsprache, sondern auch eigene Laute und jede Menge Worte verwenden, die es in jener gar nicht gibt. Und, wir haben sogar eigene Sprachregeln für Wortbildung und Satzbau. Zusammen­genommen weisen diese Eigenheiten auf ein eigenständiges Sprachsystem hin, das weit mehr ist als ein mundartlicher Akzent. Der englische Satz, „My father is a fisherman.“, klingt der deutschen Übersetzung, „Mein Vater ist Fischer.“, gewiss ähnlicher, als der alemannische Ausruf: Etz loss dônaa! der hochdeutschen Übersetzung, „Jetzt hör‘ dir das mal an.

Wenn also das Englische eine eigene Sprache sein darf, dann kann das Alemannische, wie wir meinen, dies auch für sich beanspruchen. Wer daher mit Mundart aufgewachsen ist, hat mit „Hochdeutsch“ die erste Fremdsprache erlernt und darf sich mit Fug und Recht und voller Stolz zwei­sprachig fühlen.

Eine sprachliche Färbung kann Vorteile wie Nachteile mit sich bringen. Im regionalen Umfeld schafft Mundart Nähe und Vertrauen. Sie drückt Authentizität aus und kann wie ein Alleinstellungs­merkmal wirken, durch das man bei anderen in Erinnerung bleibt und als sympathisch empfunden wird. Anderseits werden Menschen mit sprachlicher Färbung von solchen, die selbst keinen Dialekt sprechen, häufig als einfach, provinziell, ungebildet und inkompetent wahrgenommen. Dabei sind Dialektsprecher in allen sozialen Schichten zu finden und an kein Bildungsniveau geknüpft.


Kein Tag im Jahr ist geeigneter, um sich über seine eigene Redeweise Gedanken zu machen, als der 21. Februar dem „Internationalen Tag der Muttersprache“. Wir verdanken ihn mutigen Demonstranten, die an diesem Tag im Jahre 1952 im damaligen Ostpakistan ihre Stimme gegen die sprachliche und kulturelle Unterdrückung erhoben und dafür ihr Leben ließen. Die Regierung Pakistans hatte „Urdu“ zur alleinigen Amtssprache erklärt, obwohl es nur für 3% der Bevölkerung Muttersprache war. In Ostpakistan wurde fast ausschließlich Bengalisch gesprochen. Der jahrzehnte lange Widerstand gegen diese Verordnung führte schließlich 1971 zur Abspaltung und zur Gründung des Staates Bangladesch, wo der 21. Februar seitdher als Tag der Märtyrer begangen wird. Auf Antrag von Bangladesch deklarierte die UNESCO diesen Tag dann im Jahre 2000 zum „Internationalen Tag der Muttersprache“ zur Förderung sprachlicher und kultureller Vielfalt und Mehrsprachigkeit.

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