Haldenhof Bergrennen – Kurvenkämpfe am großen Ranken!

Abenteuerlust, der Drang nach technischem Fortschritt und sportliche Motivation waren die Triebfedern für den Motorsport. Für die einen war diese Sportart nur das Empfinden von furchtbaren Ohrenschmerzen, für die anderen die Faszination von Benzin im Blut. Der Motorsport entwickelte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert aus Wettfahrten der ersten Besitzer von Fahrzeugen. Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse sowie der noch nicht ausgereiften Fahrzeugtechnik standen insbesondere die Zuverlässigkeit und Widerstandskraft der Kraftfahrzeuge im Vordergrund. Erst später kam der Kampf um jede hundertstel Sekunde für einen Sieg.

Das erste Bergrennen gab es am 31. Januar 1897 von Nizza aus über insgesamt 17 Kilometer hinauf zum Bergdorf „La Turbie“, oberhalb von Monaco. Das erste Bergrennen am „SeeEnde“ startete im Herbst 1969 vom Ortsausgang Ludwigshafen, die Bergstraße hinauf in Richtung Haldenhof.

Bereits in den frühen 60er Jahren reifte im jungen Rennfahrer Hans Martin aus Stockach der Gedanke, ein Bergrennen in der Region durchzuführen. Der einstige Motorrad-Rennfahrer, fuhr mit seinem Opel Kadett 1100 SR und Ascona A regelmäßig bei Bergrennen mit. Zusammen mit einigen Gleichgesinnten plante und organisierte er als Sportleiter im Automobil ADAC e.V. Stockach/Baden das „Haldenhof Bergrennen“ am Ludwigshafener Hausberg, der für ihn ideale Voraussetzungen für ein solches Wettrennen bot. Eine fast 2 km lange Rennstrecke, mit einem Höhenunterschied von 160 m, einer durchschnittlichen Steigung von 8% und viele anspruchsvolle Kurven, von denen zwei scharfe Biegungen als Haarnadeln bezeichnet wurden.

Gleich beim ersten Rennen meldeten sich 80 Fahrer, deren Anzahl in den darauffolgenden Jahren auf 130 Fahrer anwuchs und die Veranstalter an ihre organisatorischen Grenzen brachte.

Darunter waren in der Szene bekannte und berühmte Namen wie: Roland Asch – mehrfacher dt. Bergmeister, Mario Ketterer – Rekordhalter Schauinsland Bergrennen, Helmut Mander – Berg-Europameister der Tourenwagen, Winni Vogt – Deutscher Bergmeister und Alfred Guldi – EuroChamp Interserie. Gefahren wurden Fahrzeuge unterschiedlichster Marken, Klassen und Typen, die dem Reglement „Serientourenwagen, Spezialtourenwagen und Formel-Rennwagen“ entsprachen. Vom Audi 50GL, Porsche 911, BMW 2002, Fiat Abarth, VW-Käfer, Alfa Romeo, Opel Kadett bis zum Mercedes Benz 260, war alles am Start.

Schon beim ersten Bergrennen, das offiziell unter dem Titel „Südbadische Rennmeisterschaft, mit der ADAC-Bergprüfung Haldenhof“ abgehalten wurde, war klar, dass hier ehrgeizige Profis unterwegs sind und um jede Zehntelsekunde kämpfen würden. Es war der letzte Lauf zur jährlichen „Südbaden-ADAC-Gaumeisterschaft“, bei der die Fahrer noch Saison-Punkte einfahren konnten. Nach einem Probelauf folgten die Wertungsläufe, die von mehreren Tausend Besuchern verfolgt wurden. Nicht jeder Lauf blieb ohne Folgen. Da gab es spektakuläre Pirouetten in den Kuren, da wurde der Schutzwal touchiert, ein Purzelbaum geschlagen, auch mal ein starker Baum aufs Korn genommen, was teils mit einfachem Blechschaden, aber auch teilweise mit Totalschaden endete.

Im Schnitt fuhren die Piloten mit einer Geschwindigkeit von 95 Km/h und bewältigten die Strecke über etwas einer Minute. Nur Piloten mit überdurchschnittlich fahrerischem Können und mit Mut zum Risiko hatten eine Chance auf den Sieg.

Wenn Fahrer nicht für eine Firma starteten und auf Sponsorengelder zugreifen konnten, kamen für viele beachtliche Unkosten zusammen. Spesen wurden nicht bezahlt, aber ein Startgeld musste entrichtet werden. Allein es blieb der Ruhm auf einen Sieg, das Sammeln von weiteren Wertungspunkten und die Aussicht auf einen neuen Pokal in der eigenen Sammlung, der am Ende der Veranstaltung im Kath. Gemeindezentrum überreicht wurde.

Eine riesige Heerschar von Helfern waren aktiv – Polizisten, Feuerwehr, DRK, Mitarbeiter im Fahrerlager, Rennärzte, Mechaniker und örtlicher Vereine, die sich um das leibliche Wohl der Zuschauer bemühten. Alle waren angetreten, um einen sicheren und pünktlichen Ablauf des wohl größten und bedeutendsten Motorsportereignisses im Heimatgebiet zu einem Erlebnis werden zu lassen.

Aufgrund immer stärkerer Reglementierungen, hinsichtlich Lärm-, Emissions- und Besucherschutz, fand 1981 das letzte Haldenhof-Bergrennen statt und war, nach mehr als einem Jahrzehnt erfolgreicher Durchführung, Geschichte.

Zwischen den Jahren 2008 – 2011 hatte sich der „MSC-Sernatingen“, wegen vieler Nachfragen, insbesondere während der Oldtimertreffen beim „SeeFest“, dazu entschlossen, die Legende des Bergrennens wieder aufleben zu lassen. Allerdings nicht in der alten Form, die keine Aussicht auf eine Genehmigung gehabt hätte, sondern im Format einer „Gleichmäßigkeits-Veranstaltung“, mit der Bezeichnung „Haldenhof Revival“.
Heute dröhnen nur noch Motoren von „Möchte-Gern“ Piloten die Bergstraße hinauf, die dem eigenen Ego Vorfahrt geben und leider den Lärm- und Naturschutz völlig missachten.


Hinweis:

Schon einmal war die Bergstraße eine Herausforderung für tollkühne Piloten. Der kath. Kreisjugendverband Bezirk Stockach organisierte im Jahr 1947/ 48, unter Aufsicht der französischen Besatzungsmacht, ein großes Seifenkistenrennen, an dem über 50 Teams teilnahmen. Hier der ausführliche Bericht unter: Das Große Seifenkistenrennen anno 1947

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