Von der Landwirtschaft zum Fremdenverkehr

Als im Frühjahr 1895 der Bahnhof in Ludwigshafen eröffnet und Ludwigshafen an das Schienennetz angeschlossen wurde, begann für die Menschen am „SeeEnde“ eine neue Ära der Mobilität und in der Ausrichtung des örtlichen Lebens. Während man bisher bei Reisen auf Kutschen, Pferde und Ochsenkarren zurückgreifen oder gar zu Fuß gehen musste, konnte man nun dank der Eisenbahn bequem und entspannt an sein Ziel gelangen. Die Bahn war nicht nur schneller, man konnte auch Ziele anreisen, für die man sonst eine tagelange Fahrt in Kauf nehmen musste. Auf Grund dieses Ereignisses wurde in Ludwigshafen noch im selben Jahr der „Dorfverschönerungsverein Ludwigshafen“ (heute Touristikförderverein) gegründet. Fast zeitgleich wurde in Bodman die „Motorbootgesellschaft Bodman“ gegründet, um mit Passagierbooten die Feriengäste, die mit der Bahn anreisten, nach Bodman zu bringen. Die Anbindung an die Bodenseegürtelbahn auf der anderen Seeseite war sehr wichtig, da Bodman bereits seit dem Jahre 1883 als Ferien-Kurort galt. Wann die ersten Kurgäste – Badegäste nannte man sie damals – nach Bodman kamen, ist nicht genau feststellbar. Bekannt ist der Aufenthalt einer Familie im Jahre 1862. Auch die Anzahl Kurgäste scheint schon beachtlich gewesen zu sein, denn sonst ließe sich nicht erklären, dass die Bodman´sche Verwaltung im Jahre 1898 bei dem Überlinger Bauunternehmer Schmal einen Entwurf für ein Kurhaus in Auftrag gab.

Obwohl der Fremdenverkehr in Bodman zu dieser Zeit schon eine recht große Rolle spielte, wurde erst 1921 der „Verschönerungsverein Bodman“ gegründet. Während in Bodman schon sehr touristisch gedacht wurde, gab man sich in Ludwigshafen mit kleineren Schritten zufrieden, wie das Verschönern des Ortes durch Blumenschmuck an den Fenstern und dem Herrichten von Wanderwegen. Dieser Umstand kam daher, dass der Ort als drittwichtigster Speditionsplatz am Bodensee eine recht wohlhabende Gemeinde war und nicht auf alternative Einnahmen angewiesen war. Die sich verändernden Transportwege durch die Bahn, verdrängt die einträglich florierenden Warentransporte auf dem Bodensee und brachte sie letztlich zum Erliegen. So rückte der Fremdenverkehr auch in Ludwigshafen schnell in den Vordergrund.

Nach den 1. Weltkrieg wurde der Lehrer Schönherr Vorsitzender des Dorfverschönerungsverein Ludwigshafen und begann den Fremdenverkehr massiv zu fördern. So schlug er schon 1920 der Gemeinde vor die Seegrundstücke, die sich in Privatbesitz befanden zu kaufen, um diese den Feriengästen zugänglich zu machen. Wanderwege kamen in den Fokus, wurden erweitert und ständig verbessert. Ein besonderes Problem waren Wanderwege, die durch Erdrutsche bei Starkregen zerstört wurden. Hierzu zählt insbesondere der „Schluchtweg“ (heute Fritschi-Thum-Weg), der immer wieder erneuert werden musste. Lehrer Schönherr griff dabei auf seine „schulischen“ Ressourcen zurück und so wurden die Schüler der oberen Klassen mit Spaten, Schaufeln und Karren bewaffnet zu Reparaturarbeiten in die Schlucht abkommandiert. Das war dann Kombinationsunterricht in den Fächern Erdkunde, Biologie und Sport!

In den „Goldenen 20-ger“ Jahren kam der Fremdenverkehr am „SeeEnde“ parallel in beiden Ortschaften so richtig in Schwung. Zeitgleich gab es die Kurtaxe, die Strandbäder wurden renoviert oder neu gebaut, Freizeitparks mit Tennis-, Minigolf- und Bouleplätzen wurden angelegt. Es gab regelmäßige Kur-Konzerte von den Gesangs- und Musikvereinen, Sonderfahrten mit den Passagierbooten und man konnte sogar Rundflüge über den See buchen. Etwa Mitte der 1920 Jahre benannten sich die Verschönerungsvereine um in Kur- und Verkehrsverein, da sich die Aufgaben seit ihrer Gründung verändert hatten. Die Wirtschaftskrise beendete auch am „SeeEnde“ den Urlaubsboom, weil viele arbeitslos waren und das Geld an allen Ecken und Enden fehlte.

Am 27. November 1933 wurde die nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) als Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF) gegründet. Der größte Geschäftsbereich von KdF war die Organisation von Ausflügen, Bildung und Ertüchtigung. Das hierfür zuständige Amt für Reisen, Wandern und Urlaub arrangierte Lehrgänge, Bildungsreisen, Kurse, Konzerte und Erwachsenenbildung, größtenteils frei von ideologischer Indoktrinierung. So wurden Urlaub und Ferien wieder möglich und hiervon profitierte auch das „SeeEnde“. Die Zahl der Feriengäste stieg wieder an.

Bei einer Jahreshauptversammlung des Kur- und Verkehrsverein Ludwigshafen (Ende 1930er) ist zu lesen, wie der Vorsitzende die schlechte Moral der Gastgeber anklagte, die ihre Feriengäste nicht an den Verein meldeten und somit auch keine Kurtaxe zahlten. Hierfür fand der damalige Bürgermeister und Ortsrat eine praktikable Lösung. Er beschloss, dass in Zukunft die An- und Abmeldungen auf dem Rathaus durchgeführt werden und bei säumigen Zimmervermieter hart durchgegriffen wird.

Mit dem Beginn der Bombardierung Deutschlands 1940 wurden mit der Kinderlandverschickung Kinder mit ihren Müttern aus den vom Luftkrieg betroffen Städten längerfristig in weniger gefährliche Gebiete untergebracht. So kamen auch einige mit dem „SeeEnde“ in Berührung, die nach dem Ende des Krieges wieder den Weg in unsere Doppelgemeinde fanden.

Die Bedeutung des Tourismus am „SeeEnde“ begann schon sehr früh, nahm trotz einiger Rückschläge stetig zu und ist heute eine bedeutende und tragende Säule in der Gemeindeentwicklung.  

Über den Autor