Wenn jemand etwas für eine erstaunliche Neuigkeit oder bemerkenswerte Erkenntnis hält, was anderen ganz alltäglich und selbstverständlich vorkommt, dann kriegt er meist zu hören: „Hojo, drei Hënnë sechs Fiëß!“ oder „Logisch, drei Pfund Rindfleisch giit ë guëte Suppë.“
Redensarten sind das Salz und der Pfeffer in unserer Sprache. Sie bringen mit wenigen Worten und bildhaften Vergleichen Sachverhalte nicht nur auf den Punkt, sondern beinhalten oft auch eine versteckte Spöttelei. Viele lassen sich nur schwer in andere Sprachen und Kulturen übertragen. Ihr Sinn erschließt sich oft nur denen, die in der jeweiligen Sprache und Kultur verwurzelt sind.
Für die meisten Redensarten braucht es keine Erklärung; sie verstehen sich von selbst. Dass, eine Nadel im Heuhaufen suchen zu müssen, ein Ausdruck für ein äußerst schwieriges wenn nicht gar aussichtsloses Unterfangen ist, leuchtet jedem ein. Hinter anderen Redensarten verbergen sich Geschichten und Anekdoten aus längst vergangenen Zeiten, deren Herkunft nicht mehr allen Menschen bekannt ist. („Rubbel die Katz“, „Einen Zahn zulegen“, „Sich etwas hinter die Ohren schreiben“, „Mit Kind und Kegel“) Bei anderen Redewendungen handelt es sich um Begriffe aus der Fachsprache von Jägern, Bauern, Handwerkern, Händlern, Soldaten usw. („Jemanden zur Strecke bringen“, „Lunte riechen“, „Durch die Lappen gehen“, „Über die Stränge schlagen“, „An der Nase herumführen“, „Außer Rand und Band sein“, „Jemanden übers Ohr hauen“)
„Leck mich am Arsch“, die bei uns seit Urzeiten und bis heute beliebteste Redewendung erhielt durch Johann Wolfgang von Goethe 1773 in seinem Schauspiel „Götz von Berlichingen“ ein literarisches Denkmal. Auch Wolfgang Amadeus Mozart griff 1782 den mancherorts als „schwäbischen Gruß“ betitelten Ausspruch in einem sechsstimmigen Kanon auf. Er textete: „Leck mir den Arsch fein recht schön sauber, … (Köchelverzeichnis 382d). Doch keiner von beiden kann das Urheberrecht für diesen „unartigen“ Satz für sich beanspruchen. Ein Beleg für diesen Ausspruch findet sich bereits 1454 im Protokoll des Bamberger Stadtgerichts. Er geht wohl auf einen einen alten Entblößungs- und Abwehrzauber zurück. Zeigt man Dämonen, Hexen oder persönlichen Feinden sein bloßes Gesäß, so können sie einem nichts anhaben.

Darstellungen dieses Abwehrzaubers finden sich an Stadt- und Burgtoren, Stadtmauern, aber auch an Kirchen und Klöstern, beispielsweise an den Münstern in Ulm, Freiburg im Breisgau und Straßburg. Sie finden sich ebenso in Bologna, Burgos, La Rochelle, Tarragona und an der Universität zu Salamanca.
Redensarten können in vielen Varianten auftreten, von denen einige nur in spezifischen gesellschaftlichen Kreise und während einer bestimmten Zeit oder sogar nur im eigenen familiären Umfeld geläufig sind. Dem allseits bekannten Spruch: „Und erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“, der Wilhelm Busch zugeschrieben wird, entspricht die Redewendung „Zehë Hiiser, zehë Kiëchle“. Sie ist womöglich nur noch wenigen bekannt und auch nur zu verstehen, wenn man die Geschichte dahinter kennt, die da lautet: Ein bettelnder Landstreicher, der gleich beim ersten Haus ein Stück Kuchen erhielt, schaute die Straße entlang und zählte zehn Häuser. Daraufhin machte er die einfache Rechung: Zehn Häuser = Zehn Küchlein. Doch, wie jeder schon vermutet, kam es anders, als er dachte. Das erste Küchlein war nämlich auch gleichzeitig das letzte. Man könnte auch sagen: „„Schätzë ka fëhlë.“ Diese Redewendung soll die Euphorie bzw. das Wunschdenken bremsen, wenn man hinter einem kleinen anfänglichen Gewinn den Beginn einer anhaltenden Glückssträhne erwartet.

Weitere Sprüche und Lebensweisheiten vom SeeEnde:
- „Im Herdepfele gond d’Auge au ersch uf, wenn es im Dreck hocket.“ (Erst, wenn es einem schlecht geht, zur Besinnungkommen. Aus Schaden klug werden.)
- „Du seesch us, wie’s Kätzle am Buuch.“ (Blaß und elend aussehen.)
- „Der hanget do wie en Fünfer-Tschick.“ (Kraftlos wirken wie ein ausgespukter billiger Kautabak.)
- „Se tond bis se lond.“ (Sich zu Tode arbeiten.)