Es ist ruhig geworden um den Stettelberger. Schon seit Generationen hört man keine Gruselgeschichten mehr von ihm. Gibt es ihn überhaupt noch?
Hat er seine Strafe vielleicht verbüßt und ist von seinem Fluch erlöst worden? Hat er vor den vielen aufgeklärten Wanderern und Gleitschirmfliegern, die sich in seinem Wald tummeln, Reißaus genommen? Oder geht er in der Häfler Narrenzunft inzwischen einem geregelten Leben nach?
Die Zeit, als die Menschen vom Seeende noch wundergläubig waren und Geister und Gespenster an verwunschenen Orten hausten, liegt nicht allzu lange zurück. Diese unheimlichen Wesen erfüllten noch bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts ihr Aufgabe, Kinder gehorsam zu machen und zu verhindern, dass aus ihnen Streuner und Nachtschwärmer werden.
In unserem Beitrag „Die Nachtfrau und der Mann mit dem Sack“ gibt es mehr darüber zu lesen.
Karl Keller, besser bekannt als Kellerkarl, hat seiner Enkelin einst von einem schauerlichen Erlebnis auf dem Stettelberg berichtet. Von Beruf Wagner („Stellmacher“) und deswegen auf gutes Holz angewiesen, begutachtete er eines Tages in den Abendstunden den Baumbestand auf dem Stettelberg, dessen damaliger Besitzer er war. Da vernahm er plötzlich, laut und deutlich, eine tiefe Stimme, die mehrmals rief „Kalle-Kalle-Kalle / Kalle-Kalle-Kalle„. Voll des Schreckens machte er sich schnurstracks auf den Heimweg, keine Sekunde daran zweifelnd, dass er es mit dem Stettelberger zu tun bekommen hatte. Und da ja wohl niemand wird behaupten wollen, dass der Kellerkarl ein Spinner war, muss es wohl so gewesen sein.
Sicher gab es noch viel mehr solcher Geschichten, die die Sage vom Stettelberger am Leben hielten. Doch, wenn sie nicht von den Alten an die Jungen überliefert wurden, sind sie unwiederbringlich mit jenen begraben worden.
Neue Gruselgeschichten könnten vielleicht den Sagenschatz wieder bereichern, wenn sich einige der heute so aufgeklärten Bürger getrauten, ganz alleine bei Neumond um Mitternacht im Kerzenschein einer Laterne den Stettelberg zu besteigen. Ob dies in jüngster Zeit jemals ein kühner Häfler versucht hat, davon ist uns bisher nichts bekannt. Und wir möchten -aus gutem Grunde- auch niemanden dazu ermuntern.
Die Sage vom Stettelberger ist in verschiedenen Veröffentlichungen und Versionen zu finden. Für alle, die sie noch nicht kennen, sei sie an dieser Stelle noch einmal zum Besten gegeben und zwar in der Fassung von Dr. Schedler in der Zeitschrift für Sprache, Litteratur und Volkskunde, ALEMANNIA, Elfter Band, aus dem Jahre 1883.
In Ludwigshafen kennt man die Geschichte etwas anders. Dort hat sich der Cyriak Kössinger nicht nur Erde aus dem angrenzenden Spitalwald in seine Stiefel geschüttet, sondern auch noch einen Schöpflöffel, einen so genannten „Schöpfer“, unter seinen Hut gesteckt und daraufhin geschworen:
„So wahr der Schöpfer über mir ist, so wahr stehe ich hier auf spitälischem Boden“.
Sein Geist sei besonders im Advent und zur Fastenzeit jenen aufsässig gewesen, die des Nachts, zwischen dem Abend- und Morgengebet-Läuten, auf dem Weg vom Gewann Männertal zum Schlößle zu Gange waren. Fluchte ein Wanderer, sprang ihm der Stettelberger auf den Rücken und wich erst wieder in der Nähe des Schlößles von ihm oder wenn das Betläuten begann. Wenn man vergessen hatte, das jährlich Seelenamt für ihn zu halten, rumorte der Stettelberger im Schlößle über die Maßen. An Schlaf war für seine Bewohner dann nicht mehr zu denken.