Quellen, Bäche, Brunnenstuben und 48 Mrd. Liter Wasser im See

Unser schwäbisch-alemannisches Heimatländle war im Mittel der vergangenen 3 Jahre das sonnenreichste Bundesland. Und der Sommer 2022 war einer der heißesten und trockensten seit Beginn der Aufzeichnungen. Statt 239 Liter pro Quadratmeter regnete es durchschnittlich nur 145 Liter pro Quadratmeter, was den sechsten trockensten Sommer seit Aufzeichnung beschreibt. Auf dem Bodensee mussten einige Schiffslinien zeitweise eingestellt werden, weil an der Anlegestelle die erforderliche „handbreit Wasser unterm Kiel“ fehlte. Um einer zunehmenden Beeinträchtigung der Wasserökologie entgegenzuwirken, sah sich das Landratsamt Konstanz Mitte Juli veranlasst, per Allgemeinverfügung die Wasserentnahme aus Oberfächengewässern für mindestens sechs Wochen zu verbieten unter Androhung einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro. Das Entnahmeverbot galt für alle Wasserentnahmen im Rahmen des Gemeingebrauchs, also auch für alle in Bodman-Ludwigshafen bisher erlaubten Wasserentnahmen. Der Landesvater bemüßigte sich darüber hinaus, Ratschläge zum Wassersparen zu erteilen: „Waschlappen statt Dusche.“ In einigen Ländern Südeuropas trockneten Seen und Flüsse aus und das Trinkwasser musste rationiert werden.

Am Seeende muss sich dennoch niemand Sorgen um die Trinkwasserversorgung machen. Denn wir sind hier nicht nur „von der Sonne verwöhnt“, sondern auch mit Wasser gesegnet. Quellen und Bäche aus den umgebenden Wäldern speisen auf der einen Seite ein Netz von Brunnenstuben und auf der anderen erstreckt sich ein See mit 48 Milliarden Liter Wasser.

Der aufmerksame Wanderer entdeckt im Wald allenthalben pilzähnliche Strukturen, die aus dem Boden zu wachsen scheinen und auf Quellfassungen oder Brunnenstuben hinwiesen.

Bevor es in Bodman und Ludwigshafen eine zentrale Trinkwasserversorgung gab, wurde das Wasser aus Bächen, eigenen Quellen oder öffentlichen Brunnen geschöpft. Ende des 19. Jahrhunderts floß es dann erstmals direkt in jedes Haus. In Ludwigshafen begann alles 1899 mit dem Bau eines Wasserleitungssystem und eines geräumigen Hochbehälters. In Bodman wurde das erste Wasserreservoir im Jahre 1905 errichtet.

Die Wertschätzung, die man früher diesen Errungenschaften entgegenbrachte, läßt sich an der kunstvollen Gestaltung der Objekte ablesen. Das eiserne Tor des Wasserreservoirs an der Schnabelburg schmückte einst ein impostanter Löwenkopf.

Doch Unbekannte rückten ihm mit dem Winkelschleifer zu Leibe und entwendeten ihn. Glücklicherweise wurde der Verlust von Rolf Hollstein, dem heutigen Eigentümer des Hochbehälters, durch einen eisernen Ring und weiteren Zierrat ersetzt. Dies erleichtert ihm nicht nur das Öffnen der Türe, sondern stellt auch den Charme des Tores wieder her und erweckt bei ins Alter gekommener Kinder nostalgische Erinnerungen , wenn sie so wie früher gegen das Portal schlagen und der hohle Widerhall Gedanken an ein Furcht einflößendes Burgverlies heraufbeschwört.

Die Architektur heutiger Brunnenstuben wirkt minimalistisch und funktional. Für „Schmuck“ sorgen allein Wandmalereien unbekannter Graffiti-Künstler.


Rolf Hollstein, dem der Erhalt und die Pflege dieser historischen Fassade zu verdanken ist, öffnet dem Redaktionsteam der SeeEnd-Geschichten das Tor und gewährt ihm und den interessierten Lesern dieses Beitrags einen einmaligen Einblick in die Kammern und das Rohrsystem dieses ehemaligen Wasserbehälters.

Der Bau einer örtlichen, gemeindeeigenen Bodensee-Wasserversorgung wurde in Ludwigshafen in den Jahren 1950-1951 in Angriff genommen. Historisches Bildmaterial im Archiv der Gemeinde zeigt, mit welch einfachen technischen Mittel damals zu Werke gegangen wurden.

Zwischen Ludwigshafen und Sipplingen, an der Stelle, wo der Blütenweg auf die Bundesstraße trifft, wurde seewärts unterhalb der Bahnlinie eine kleine Pumpstation errichtet.

An die Bodensee-Fernwasserversorgung, die am 16. Oktober 1958 mit einem Rohrnetzes von 265 km Länge bis nach Ludwigsburg in Betrieb ging, wurde der Ortsteil Ludwigshafen erst im Jahre 1979 angeschlossen. Dazu musste ein neuer Hochbehälter gebaut werden.

Durch internationale Abkommen ist die Wasserentnahme bei maximal 670.000 Kubikmeter Wasser pro Tag limitiert. Diese Menge ist bisher ausreichend für die sichere Trinkwasserversorgung der Menschen in Baden-Württemberg. Die tägliche Entnahme mache nur ein Prozent dessen aus, was täglich über Zuflüsse hineinkomme, ist von der Bodensee-Wasserversorgung zu hören. Die Sonne trinke mehr. Im Mittel sei die Verdunstung doppelt so hoch wie die Entnahme. Auf den Pegelstand habe die Entnahme keinen messbaren Einfluss.

Im Ortsteil Bodman dauerte der Anschluss an die Bodensee-Fernwasserversorgung bis zum Beginn der Neunziger Jahre. Dort baute man noch lange auf eine Trinkwasserversorgung durch die örtlichen Quellen. Ausschlaggebend für den Gesinnungswandel mag unter anderem die Tatsache gewesen sein, dass einige Zeit zuvor das Trinkwasser durch eine außergewöhnlich hohe Konzentration von verschiedenen Bakterien belastet war, die von einem im Quellbereich verendeten Tier herrührte.

Der damalige Bürgermeisters dachte wohl, wirtschaftlichen Schaden von der vom Tourismus profitierenden Gemeinde abwenden zu können, wenn er die Werte ersteinmal unter Verschluss hielt in der Hoffnung auf eine rasche Lösung des Problems. Erst nach zwei Wochen (und wohl nur auf Druck informierter Kreise) wurde die Bevölkerung gewarnt und das zuständige Gesundheitsamt über die Meßergebnisse informiert. Mit seiner Strategie hatte der Schultes aber weder der Gemeinde noch ihren Bürgern und schon gar nicht sich selbst eine Gefallen getan. Der Fall machte Schlagzeilen in der Presse, viele Menschen litten unter Magen-Darm-Infektionen und er selbst sah sich bald mit einer Strafanzeige konfrontiert, die für ihn mit einem Ansehensverlust und erheblichen finanziellen Folgen verbunden war.

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