Vom Speditionsplatz zum Balzplatz

Als der Sernatinger Hafen im Jahr 1826 auf den Namen „Ludwigshafen“ getauft wurde, war das kleine Dörfchen bereits ein wichtiger Speditionsplatz, der von dem geschäftstüchtigen Lehrer, Spediteur und „Adler“-Wirt Carl Ciriak Hamma geführt wurde. Hier entwickelte sich im Laufe der Jahre der zweitgrößte Umschlagplatz am badischen Ufer des Bodensees. Während im Konstanzer Hafen jährlich ca. 81.000 Zentner Ware umgeschlagen wurden, waren es in Ludwigshafen nicht weniger als ca. 70.000 Zentner.

Mit dem Bau der Bahnlinie im Jahr 1895 begann der Speditionsplatz Ludwigshafen an Bedeutung zu verlieren. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wurde der Kran errichtet, der heute noch vor dem Zollhaus steht. Nach Kriegsende waren die einzigen Lasten, die der Kran noch heben durfte, Boote die ein- und ausgewassert wurden.

Doch der Kran sollte bald noch einem ganz anderen Zweck dienen. Junge Männer entdeckten sein Potential als Bühne der Selbstdarstellung.

Wenn ein junger Mann seiner Angebeteten imponieren wollte, kletterte er auf eine Dalbe und machte einen Köpfer (Kopfsprung) in das Hafenbecken. Da die schönen Häfler Mädchen von jeher sehr begehrt waren, fehlte es nicht an Nebenbuhlern, die es auszustechen galt. Es wurde von den Dalben gesprungen was das Zeug hielt, bis irgendwann einer auf die gefährliche Idee kam, auf die Spitze des Krans zu klettern und sich von dort in die Tiefe zu stürtzen.

Nach einem solch waghalsigen Sprung war der Wettstreit meist entschieden. Den Rivalen wurde klar, dass es in dieser Disziplin nichts mehr zu gewinnen gab, und sie zogen von dannen. Wenn es dem mutigen Jüngling damit gelungen war, die Dame seines Herzens zu beeindrucken und ihre Zuneigung zu gewinnen, wird er wohl im Anschluss mit ihr durch den Schlösslepark spaziert sein, um sie dort zu einer Runde Minigolf einzuladen oder ihr in Otto Nadigs Milchbar ein Eis zu spendieren.

Das Klettern auf den Kran gibt es nicht mehr, den Minigolfplatz im Schlösslepark leider auch nicht. Aber ähnliche Rituale kann man an warmen Tagen auch heute noch beobachten. Allerdings sind die Mädchen inzwischen meist mehr mit ihren Handys beschäftigt, als sich um die balzenden Jungs zu kümmern. 

Der Autor rät selbst versierten Fassadenkletterern ausdrücklich von dieser lebensgefährlichen Art der Brautwerbung ab. Ein Sprung ins Wasser war damals ja auch nur dadurch möglich, dass der Ausleger des Krans über die Hafenmole gedreht werden konnte. Die dafür vorhandenen Kurbeln sind aber seit langem mit Schlössern arretiert.

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