Schweres Zugunglück im Bahnhof Ludwigshafen

Am 09. Oktober 1977 kommt es zu einem schweren Zusammenstoß im Bahnhof in Ludwigshafen am SeeEnde. Infolge einer falschen Weichenstellung prallte der aus Lindau kommenden fahrplanmäßige Eilzug gegen den auf Gleis 1 stehenden Schienenbus von Radolfzell nach Friedrichshafen, der, ebenso wie der Eilzug, um 12:13 Uhr den Bahnhof Ludwigshafen wieder hätte verlassen sollen. 25 zum Teil schwerverletzte Fahrgäste wurden aus den zerstörten Wagen des Schienenbusses geborgen.

Der Schienenbus stand, wie jeden Tag, auf Gleis 1 zur Abfahrt in Richtung Friedrichshafen bereit und wartete die Einfahrt des Eilzuges Lindau-Freiburg ab. Dieser kam dann auch um 12:12 Uhr, aber nicht wie erwartungsgemäß auf dem Nachbargleis 2, sondern auf dem bereits besetzten Gleis 1 des Schienenbusses (NTO).

Für die beiden Lokführer war jede Reaktion zu spät, als sie das Unglück kommen sahen. Der Busführer brachte sich durch einen Sprung aus der Tür in letzter Sekunde in Sicherheit. Dann bohrte sich die schwere Diesellok, wie ein Amboss und mit einem fürchterlichen Knall in den ersten Triebwagen. Glas splitterte, Eisen- und Blechteile des Schienenbusses verformten sich zu einem bizarren Schrotthaufen. Die schwere Diesellok des E-Zuges, der bei der Einfahrt in den Bahnhof immerhin noch eine Geschwindigkeit von etwa 50 Stundenkilometer hatte, schob den viel schwächeren Schienenbus 60-70 Meter auf dem Gleis zurück. Infolge dieser Wucht verkeilten sich die vier Waggons des Schienenbusses ineinander. Gegen die schiere Masse der Diesellok hatte der leichtere Schienenbus keine Chance und wurde teils völlig demoliert.

Nach dem furchtbaren Knall folgte eine gespenstische Ruhe, die plötzlich durch Hilferufe und Schmerzenslaute durchbrochen wurde. Während die etwa 150 Fahrgäste des Eilzuges mit dem Schrecken davonkamen, blieb in dem glücklicherweise nur schwach besetzen Schienenbus kaum jemand unverletzt. Die Rettungsmannschaften der DRK-Bereitschaften aus Stockach, Überlingen und Radolfzell wurden herbeigerufen und arbeiteten anschließend vorbildlich zusammen. Sie sorgten dafür, dass die Verletzten schnellstens in ärztliche Obhut kamen. 17 Fahrgäste, darunter mehrere Kinder, wurden im Krankenhaus Überlingen aufgenommen, fünf in Stockach. Auch der Rettungshubschrauber „Christopherus“ kam zum Einsatz und flog zwei Schwerverletzte in Spezialkliniken. Die eilends an die Unglücksstelle herbeigeilten Feuerwehren aus Ludwigshafen, Stockach, Radolfzell und Singen arbeiteten Hand in Hand mit den Helfern des DRK.

Die Bergung der Fahrgäste war sehr schwierig, da alle Türen verklemmt und ein Herausholen der Verletzten durch die Fenster ein komplizierter Balanceakt war. Ein Schienenbus-Fahrgast war so heftig in der Nähe des Führerstandes eingeklemmt, dass er nur mit Hilfe eines sogenannten “Spreitzers“, den die Singener Feuerwehr in ihrer Katastrophenausrüstung mitführte, befreit werden konnte. Er wurde mit starken Verletzungen in das Krankenhaus Singen eingeliefert.

Der als sehr zuverlässig und äußerst gewissenhaft bekannte Fahrdienstleister, stand unter schwerer Schockeinwirkung, ebenso der Lokführer des Eilzuges. Vertreter der Bundesbahn schätzten den Sachschaden vor Ort auf etwa eine halbe Million.

Noch Stunden nach dem Zusammenstoß war der Zugverkehr auf der Bodenseegürtelbahn blockiert. Erst nachdem der letzte Wagen des E-Zuges, der auf das Durchfahrtsgleis hinausragte, abgekoppelt war, konnten die Züge wieder fahrplanmäßig verkehren. Die Bundesbahn hatte inzwischen für die Weiterbeförderung der Fahrgäste des verunglückten E-Zuges gesorgt. Mit Bussen wurden sie zu den Bahnhöfen nach Radolfzell und Singen weiterbefördert.

Noch am selben Tag begann die Polizeidirektion Konstanz mit den Ermittlungen. Ein falscher Handgriff, also menschliches Versagen mit verhängnisvoller Wirkung, war die Antwort. In Ludwigshafen, aber auch in vielen anderen kleinen Bahnhöfen trug zu dieser Zeit der Fahrdienstleiter noch höchst persönlich die volle Verantwortung für die Sicherheit des Zugverkehrs. Per Handbedienung und mit gewissen Sicherungen versehen, wurde das Stellwerk bedient. Normalerweise ausreichend, aber eben nicht wasserdicht, wie sich bei diesem Unfall zeigte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Schienen aus Überlingen kommend, mit einer starken Rechtskurve in den Bahnhof einlaufen und die Situation im Bahnhofsgelände erst sehr spät erkannt wird.

In größeren Bahnhöfen war die Stellwerktechnik schon automatisiert und modernisiert. Ein Fall, wie in Ludwigshafen, wäre dort unmöglich gewesen. Aus Kostengründen wurde die Modernisierung der Stellwerke, seitens der Bundesbahn, zunächst auf „rentablen“ Strecken durchgeführt. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass Wirtschaftlichkeit vor Sicherheit Vorfahrt hatte und erst eine Tragödie ein Umdenken erzwingen musste.

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