Gründerväter, Vereinsidole und Häfler Originale – Josef Beirer

Nach dem 2. Weltkrieg war in Deutschland vieles zerstört. Auch das Dorfleben und im speziellen das Vereinsleben kam während des Krieges zum Erliegen. Die Vereine waren natürlich ein wesentlicher Träger des Dorflebens und, wie so vieles jener Zeit, von der Männerwelt dominiert. Die wehrfähigen Männer waren während des Krieges als Soldaten auf den Schlachtfeldern Europas und teilweise auch in Afrika unterwegs und nach dem Krieg waren viele noch für einige Jahre in Gefangenschaft. Bei ihrer Rückkehr in die Heimat war bei vielen ein starker Wunsch da, die Vereine wiederzubeleben, die Gemeinschaft zu pflegen und auch neue Vereine zu gründen. Ludwigshafen profitziert heute von einer außergewöhnlich lebendigen Vereinskultur, deren Grundstein nach dem Krieg neu gelegt wurde. Deshalb wollen wir die Menschen vorstellen, die sich dabei besonders einbrachten oder eine besondere Rolle spielten.

Josef Beirer war einer dieser Kriegsheimkehrer, die sich für die Ludwigshäfler Vereine verdient gemacht haben.

Geboren war er in Sipplingen und hatte im elterlichen Betrieb in Sipplingen die Ausbildung zum Zimmermann gemacht. Auch in seiner Jugendzeit in Sipplingen war er schon ein engagiertes Gemeindemitglied und im Turn- und Gesangsverein aktiv. Er war auch mit einer ordentlichen Portion Pioniergeist und Mut ausgestattet. Als junger Mann baute er ein kleines Segelflugzeug, mit dem er tatsächlich 100 oder 150 m geflogen sein will. Glücklicherweise überlebte er den Jungfernflug, trotz Bruchlandung bei dem das Flugzeug einen Totalschaden erlitt und überließ in der Folge den Flugzeugbau den Fachleuten aus Friedrichshafen.

Josef Beirer mit seinem Segelflugzeug vor dem Jungfernflug

Anfang der 1930-er Jahre ließ er sich dann in Ludwigshafen als selbständiger Zimmermeister nieder. Nach wenigen Jahren der Selbständigkeit begann der 2. Weltkrieg und er musste in Frankreich und auch in Russland an der Front kämpfen, während seine Ehefrau Sophie zuhause ihre drei Söhne Herbert, Peter und Hermann allein großziehen und durchbringen musste.

1947, nach zweijähriger französischer Gefangenschaft, kam er, im Gegensatz zu vielen Leidensgenossen, körperlich unversehrt nach Hause.

Josef Beirer während seiner französichen Gefangenschaft in Baccarat, Nähe Straßburg

Viele der nachhause gekehrten Soldaten sind durch ihre Kriegs- und Gefangenschaftserfahrung innerlich zerbrochen und das ist ihnen wahrlich nicht zu verdenken. Josef Beirer zählte zu den Glücklichen, die das Überleben und ihre Gesundheit als Geschenk wahrnehmen konnten. Nachdem er 1947 aus der Gefangenschaft nach Ludwigshafen zurückkehrte, baute er den 1911 gegründeten Turnverein Ludwigshafen wieder mit auf und übernahm als Turnwart die sportliche Leistung des Vereins. Als Turnhalle diente seinerzeit der Kronenkeller. Es gelang schnell eine Turnriege aufzubauen, der auch selbst angehörte. Im Turnverein fanden, wie man aus dem Bild entnehmen kann, auch Frauen eine Möglichkeit sich sportlich zu betätigen.

Der Turnverein Ludwigshafen neben seiner damaligen Turnhalle, dem Kronenkeller

1948 gründete er mit einigen Gleichgesinnten den Gesangverein Liederkranz Ludwigshafen, den er auch als Dirigent acht Jahre musikalisch vorstand und den er auch einige Jahre als Vorstand leitete. Der Gesangverein Liederkranz war ein Männerchor. Möglicherweise waren nicht alle Mitglieder so begeisterte Sänger, wie er selbst, so dass er sich etwas einfallen lassen musste, dass auch genug Sänger in die Proben kamen. So ernannte er seinen Sohn Peter zum Vereinsdiener. Seine Aufgabe war es, vor den Proben das Dorf mit dem Fahrrad abzufahren und alle Sänger an die Probe zu erinnern. Als Belohnung durfte er am Vereinsausflug teilnehmen. Josef Beirer war kein Freund von reinen Männervereinen und gegen den Widerstand einiger Mitglieder gründete er auch einen gemischten Chor.

Josef Beirer dirigiert den gemischten Chor des Gesangverein Liederkranz Ludwigshafen

In der Adventszeit führten die Vereine in Ludwigshafen jedes Wochenende abwechselnd im Hotel Löwen ein Theaterstück auf. Das ganze Dorf traf sich im Löwen und erfreute sich an den Darbietungen. Als Dirigent des Gesangvereins war er auch für viele Jahre Regisseur der Gesangvereins-Theater-Vorstellungen.

Im Narrenverein Ludwigshafen engagierte er sich nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft ebenfalls. In dieser Zeit gab es noch keine Seehasen und der Narrenverein präsentierte sich im Stil des rheinischen Karnevalls. Der heutige Hasenrat hieß damals noch Elfer-Rat und die Narrenkappen entstammten auch den rheinischen Vorbildern. Auch die Umzüge waren noch sehr viel politischer. 1952 wurde die mangelnde Gewerbefreiheit unter der französischen Besatzung thematisiert. 1955 präsentierte sich der Elfer-Rat als die oberste Nazi-Riege, die dann gefangen genommen wurde.

Einige Jahre bekleidete Josef Beirer die Rolle des Narrenvaters. In dieser Funktion gründete er 1959 die erste Frauengliederung der heutigen Narrenzunft, die Prinzengarde. Diese wurde beim großen Narrentreffen 1960, mit über 10.000 Besuchern, der Öffentlichkeit präsentiert. Josef Beirer selbst schlüpfte bei diesem Jubiläum in die Rolle des badischen Großherzog Markgraf von Baden, der die Umbenennung von Sernatingen in Ludwigshafen vollzog. Nachdem er den Dirigentenstab beim Gesangverein abgegeben hatte, bekleidete er von 1961 bis 1967 das Amt des Narrenpräsidenten des Narrenvereins.

Seine Vereinsaktivitäten wurden in allen Vereinen mit Ehrenmitgliedschaften gewürdigt. Für sein Engagement im Turnverein wurde er zudem mit der Gauehrennadel ausgezeichnet, beim Gesangverein war er Ehrendirigent und bei der Narrenzunft Ehrenpräsident.

All dies bewerkstelligte er neben dem Wiederaufbau seines Zimmereibetriebs, in dem auch bald seine Söhne Herbert und Peter mitarbeiteten und der sich dann zu einem kleinen Bauunternehmen entwickelte. Sicher war die Renovierung der katholischen Kirche und des Kirchturms in Ludwigshafen der Höhepunkt seiner beruflichen Tätigkeit. Auch die Familie wurde nach dem Krieg ausgebaut. Zu den drei Söhnen Herbert, Hermann und Peter, gesellten sich nach dem Krieg noch Reinhold und Elvira dazu.

Der eingerüstete Kirchturm während der Renovierung

Wie hat er das alles nur geschafft? Kam die Familie dabei zu kurz? Was war das für eine Work-Life-Balance? Die Woche hatte zu jener Zeit auch noch 6 Arbeitstage.

Auf den ersten Blick erschrickt man darüber, was sich Leute wie er, neben ihrer Arbeit noch an privaten Vereinsverpflichtungen aufgebürdet haben. Wenn man etwas nachdenkt, dann kann man sich vorstellen, dass dieser Kriegsgeneration sehr viel bewusster war, was „leben“ bedeutet, als es dann uns heute ist. Ich denke, dass er wohl keine Minute verschwenden wollte und jede Minute seines Lebens sinnvoll einsetzen wollte. Zur großen Freude seiner Ehefrau Sophie verreiste Josef Beirer auch gerne und war mit seiner Frau bei vielen Reisen, die sein Freund, der Löwenwirt Fritz Glöckler, organisierte dabei. Familienfeste bei meinen Großeltern waren immer großartig. Es wurde immer ausgelassen gesungen und gefeiert. Während wir Kinder im Flur und auf der Treppe spielten verdichtete sich der Zigarrenqualm in der Stube und es wurde viel gelacht und gesungen. Ich glaube, er hat das Leben wirklich genossen.

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