Bodensee-Neckar-Stollen. SeeEnd-Wasser als Spülung für den Neckar

Unser Bodenseewasser wird nach Expertenmeinung einmal so wertvoll sein wie flüssiges Gold. Nämlich dann, wenn durch extreme Umwelteinflüsse das Wasser immer knapper und es für die Menschheit einmal wertvoller sein wird als Diamanten. Umso erstaunlicher klingt es, dass im Jahre 1973 ein mächtiger Stollen vom Bodensee zum schwäbischen Neckar geplant war, der zum einen den ständigen Trinkwassermangel des wachsenden Industriereviers um Stuttgart herum vermindern sollte, gleichzeitig als eine riesige Wasserspülung für den damals stark verschmutzten Neckar dienen sollte.

Zu diesem Zeitpunkt bezogen die Stuttgarter über zwei Pumpleitungen bereits pro Sekunde 7500 Liter Wasser vom Bodensee, dem größten Trinkwasserspeicher Europas. Die schnell wachsende Metropole im Zentrum von Baden-Württemberg, getrieben durch die rasante Entwicklung der Industrialisierung, verlangte nach mehr Bodenseewasser für die stark steigende Bevölkerungszahl. Zeitgleich mit mehr Wachstum und Wohlstand stieg auch die örtliche Verdichtung. Schmutz und Abfall der Industriebetriebe fanden anfänglich den Weg in den Neckar, häufig ungefiltert, da Kläranlagen nicht ausreichend zur Verfügung standen.

Bald schon zeigte sich, dass der Neckar die Abwasserfracht von Menschen und Fabriken des Stuttgarter Großraumes nicht mehr verkraften konnte. Insbesondere in der Sommerzeit, wenn die Pegelstände niedriger waren, offenbarte sich das ganze Ausmaß des vielen Drecks, der nicht mehr abfließen vermochte. So kamen findige Schwaben auf die Idee, man könnte doch neben der aktuellen Trinkwasserversorgung eine große Spülanlage für den Neckar planen, der dem Fluss regelmäßig eine kräftige Dusche beschert und den Dreck samt dem wertvollen Bodenseewasser auf Nimmerwiedersehen davonspült.

Alsdann wurden Pläne entwickelt, wie anhand der bergtechnischen Erfahrungen von den Trinkwasserleitungen, ein künstlicher Flusslauf vom Überlinger-See durch den Gebirgszug der Schwäbischen Alb hindurch, bis zum Neckar gestoßen werden konnte. Ein riesiger Wasserstollen sollte es sein, der mehr als das Dreifache der bisherigen Wassermenge befördern könnte und dem Bodensee rund 10 Prozent der Wassermenge abzapft, die ansonsten bei Stein am Rhein in den Hochrhein abfließt.

Nach Bekanntgabe des Vorhabens entwickelte sich ein Sturm der Entrüstung bei den Bodenseegemeinden. Die Nachbarstaaten Schweiz und Österreich bezogen ebenfalls Front, da sie Kraft internationaler Verträge ein Mitspracherecht über jeden Seewassertropfen hätten. Alle wehrten sich mit aller Kraft gegen den Plan, dass ihr sauberes Wasser den „Wohlstandsmüll“ der Stuttgarter wegschwemmen sollte. Für eine Neckarspülung war ihnen das kostbare Nass viel zu schade, zumal sie keinen Tropfen für die Umweltsünden im Zentrum des Landes hergeben wollten.

Der massive Widerstand der Bodenseegemeinden, der Nachbarstaaten, Umweltverbände und schließlich auch der Landesparteien, gruben dem Vorhaben nach und nach buchstäblich das Wasser ab. Schließlich steuerte die damalige Landesregierung, unter dem Druck der Öffentlichkeit, in die Richtung der Ursachenbekämpfung. Schärfere Auflagen für die Abwasserreinigung wurden beschlossen, Kläranlagen wurden erweitert oder neu gebaut, sowie ressourcenschonende Handlungsweisen in Unternehmensleitlinien verankert. Obendrein wurde aus dem baden-württembergischen Entwicklungsplan das Wort “Mehrzweckspeicher“ zum Wort „Trinkwasserspeicher“ für den Bodensee geändert.

Auch in Ludwigshafen wehrten sich die Einwohner heftig gegen dieses Vorhaben. Die Junge Union des Kreisverbandes Konstanz initiierte im August 1973 Unterschriftenaktionen, sowie begleitende Informationsveranstaltungen.

Nach einem Jahr der Systemanalyse und Bedenkzeit, zog sich die Landesregierung Baden-Württembergs still und heimlich aus dem Vorhaben zurück. Welch ein Segen, dass nicht der beschworene Wohlstand und der Expansionsdruck der Industriegemeinden die Oberhand behielten, sondern der Weitblick und das Durchhaltevermögen der Seegemeinden die Idee des „Bodensee-Neckar-Stollen“ dorthin beförderte, wohin Wasserspülungen normalerweise entsorgen. 


Neue Wasserentnahmestelle am SeeEnde

Seit März diesen Jahres schwimmen Bohrplattformen im Auftrag der Bodensee-Wasserversorgung (BWV) im SeeEnd-Gewässer. Es ist der Auftakt eines großen Zukunftsprojektes mit der Bezeichnung „Zukunftsquelle. Wasser für Generationen“.
Die Bodenseewasserversorgung müsse für die Sicherstellung der Wasserversorgung in der Zukunft eine neue Seewasserentnahme bauen, die laut Planung in Ludwigshafen an der Gemarkungsgrenze zu Sipplingen, im Bereich Pfaffental liegen wird. Mehrere Erkundungsbohrungen werden bei Ludwigshafen durchgeführt, weitere sind von Juni bis September im See bei Sipplingen im Bereich „Süßenmühle“ geplant.

Die mehr als 100 Bohrungen zu Lande und im Wasser werden den Fachleuten Aufschluss darüber geben, in welcher Form die etwa 10 Meter hohen Entnahmetürme unter Wasser verankert werden müssen. Entweder auf in den Seegrund getriebenen Pfählen oder mit Hilfe einer Plattform, die am Seegrund fixiert wird. Das Trinkwasser wird in 60 Metern Seetiefe entnommen, da es dort besonders rein und klar ist, sowie ganzjährig eine gleichbleibend niedrige Temperatur von etwa 5 Grad Celsius aufweist.

Mit diesem Projekt soll künftig an einem zusätzlichen Standort im See Bodenseewasser entnommen und auf den Sipplinger Berg gepumpt werden, um für Millionen von Menschen in Baden-Württemberg das Trinkwasser langfristig zu gewährleisten.

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