Paul Weber – Allrounder und Multitalent   


Straßennamen erhalten gewöhnlich gewannbezogene Angaben, werden aber auch oft nach bedeutenden Personen benannt, um deren Leistungen und Beiträge zu würdigen und im Gedächtnis einer Gemeinde zu bewahren. Dies kann historische, kulturelle oder gesellschaftliche Gründe haben.

Im Neubaugebiet Steinäcker wurde im Jahre 2004 eine Straße nach einem verdienten Bürger benannt – die Paul-Weber-Straße. Paul Weber (1893 – 1985) hatte in vielen Bereichen außerordentliche Fähigkeiten und Talente, die er in seiner Heimatgemeinde gewinnbringend einbrachte. Seine bleibenden Verdienste zeigen sich insbesondere in der revolutionären Weiterentwicklung im Obstbau, den er in Bodman und auch in Deutschland entscheidend mitgeprägt hat. Ende des 19. Jh. waren die Landwirtschaft, das Handwerk und auch Anstellungen bei der Grundherrschaft die Haupterwerbsquellen in Bodman.

Vom Obstbau wollten die meisten Bodmaner Landwirte nichts wissen und zeigten ihre Abneigung durchaus in einer tätlichen Feindseligkeit, indem sie frisch gesetzte Obstbäume einfach unterpflügten. Im November 1918 übernahm Paul Weber als jüngster Sohn die elterliche Landwirtschaft. Mit Leidenschaft und Entschlossenheit förderte er den Obstbau, den sein Großvater Josef Weber bereits Mittes des 19. Jh. im Weilergarten schuf. Da es kaum Veredelungen gab und ein großer Mangel an Schädlingsbekämpfung herrschte, war der Obstbau zunächst wenig erfolgreich, zumal auch die rechte Einstellung bei vielen Landwirten fehlte. Unermüdlich widmete sich Paul Weber dem Obst-, Beeren- und Gemüseanbau und zählte mit seiner ganzen Erfahrung  und seinen bahnbrechenden Ideen bald zum Wegbereiter für den zukünftigen Obstbau, der sich in der Bodmaner Bucht segensreich auswirkte.

Durch die 1926 beschlossene ortspolizeiliche Vorschrift für die „Bekämpfung der pflanzlichen und tierischen Schädlinge an Obstbäumen“, stellten sich die Weichen vom Mostobst hin zum Tafelobst. 1928 wurde Paul Weber in den Sonderausschuss Obstbau der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) berufen , dessen Vorsitz er von 1948 -1951 innehatte. Der Obstbau nahm Fahrt auf und mit einem Jahresumsatz 1960 von 1,2 Millionen DM, war Bodman einer der bedeutendsten obstbaubetriebenen Gemeinden in der Bodenseeregion. Mit dem Aufblühen des Obstbaus galt das Augenmerk von Paul Weber zunehmend der Herstellung von Edelschnäpsen. Auf diesem Gebiet brachte er es zur Meisterschaft. Er stellte 1951 nachweisbar den ersten Williams-Christ-Birnen-Schnaps her. Eine weitere Anerkennung erhielt er 1950 mit der Verleihung des DLG-Gütezeichens für Tafelobst-Spitzen-Qualitäten. Mit Nachdruck förderte und forderte er die Notwendigkeit für  bessere Ausbildung und wirkte im Beirat der 1951 gegründeten Staatlichen Obstbauschule Nürtingen von 1952 – 1967.

Mit Freude und seinem angeborenen Pioniergeist betrieb er auch eine Bienenzucht und war 7 Jahre lang Vorsitzender des Bezirks-Bienenzuchtvereins Stockach.

Paul Weber stammt nach seinen eigenen Worten aus einer „erzliberalen“ Familie. Gefördert durch das Vorbild von Vater und Großvater lag ihm demokratisches Denken und Handeln im Blut. 1926 wurde er von der Bürgerschaft in den Gemeinderat gewählt. In den Wirren des Nationalsozialismus zog sich Paul Weber aus dem politischen Geschehen zurück, weil er den Kurs des neuen Regimes nicht begreifen und auch nicht billigen konnte. Während dieser Zeit war das Haus Weber für manchen Menschen, der sich mit dem System nicht arrangieren konnte, eine Zufluchtsstätte. Auch warf man ihm vor, dass er mit Juden verkehre. Das alles focht ihn nicht an. Er blieb standhaft und folgte seinem demokratischen, nie versagendem Kompass. 1945 wurde Paul Weber dann erneut in den Gemeinderat berufen.

Neben all seinen zahlreichen Tätigkeiten widmete sich Paul Weber noch einer weiteren Leidenschaft, die er von seinem Vater Karl geerbt hatte. Der hatte sich bereits zu Beginn des 20. Jh. als heimischer Pfahlbauforscher und Begründer einer privaten Sammlung einen Namen gemacht. Als junger Bursche begleitete er seinen Vater bei dessen Grabungen am Seeufer und entwickelte dabei eine unstillbare Liebe zur Ur- und Frühgeschichte hier am SeeEnde. Karl Weber gehörte zu den Pionieren der systematischen Erschließung der Pfahlbau-Kultur am Bodensee. Paul übernahm die prähistorische Sammlung, die bereits 1932 inventarisiert wurde.

Es dauerte einige Zeit, bis sich Paul Weber mit seinen 63 Jahren  wieder der  intensiven Nachforschung  nach prähistorischen Gegenständen zuwenden konnte.  Ab 1956 begann  er regelmäßig, insbesondere bei niedrigem Wasserstand täglich, mit der Suche nach bronzezeitlichen Artefakten (vorgeschichtliche handwerkliche Gegenstände). Das gesamte Material – rund 64.000 Fundstücke – wurde akribisch sortiert und registriert, sodass die Wissenschaft damit dienlich arbeiten kann.  Bei seiner Suche ging es Paul Weber  weniger um zufällige Funde, sondern um das Bestreben, ein repräsentatives und möglichst vollständiges Bild von den steinzeitlichen Hinterlassenschaften am SeeEnde abzugeben. Mit seinen Forschungen hat er einen wesentlichen Beitrag zur  Geschichte des SeeEndes, des gesamten Bodenseegebietes und der Landesgeschichte geleistet.

Seine vielfältigen und entschlossenen Tätigkeiten hat der Historiker Herbert Berner einmal so zusammengefasst: Die Persönlichkeit Paul Weber hat mitgeholfen, aus dem einst verträumten Bauern- und Handwerkerdorf Bodman eine moderne und zukunftsfähige Gemeinde zu machen.
Er hat sehr schnell das Wesentliche und Wichtige erkannt und mutig und entschlossen dafür gehandelt, dabei mit Bedacht und Klugheit geurteilt. In der Doppelgemeinde heute erinnern ein Straßenname, eine Ehrenbürgerschaft und viele prähistorische Fundstücke an den Forscher und Pionier Paul Weber. Es liegt an uns, die Erinnerungskultur daran zu fördern und hochzuhalten, denn unsere Gesellschaft, unser Wissen und Wohlstand baut auf dem auf, was unsere Vorfahren geschaffen haben. Unser Dank ist unsere Wertschätzung.

Ein Sgrafitto (Putzschnitt) an der Außenwand des ehemaligen Rathauses in Bodman weist auf die hohe Bedeutung für den Obstbau hin und ist gleichsam auch eine Hommage an Paul Weber.

Straßennamen in Bodman-Ludwigshafen nach Persönlichkeiten

Johannes-Hüglin-Weg
Seit dem 3. März 1523 wirkte er als Priester in Sernatingen. Am 10. Mai 1527 in Meersburg auf dem Scheiterhaufen nach einem Schauprozess verbrannt. Er stellte sich für die gerechte Sache auf die Seite der Bauern, lehrte sie die neue Freiheit und Zuversicht und schrieb ihre Forderungen auf.
(zum SeeEnd-Bericht)

St. Otmar Straße
Der heilige Otmar war Gründer des Klosters St. Gallen und lange Zeit dessen Bischoff. Er ist der Namenspatron der Kath. Kirche in Ludwigshafen. Er war zeitweise auch in Bodman eingekerkert. Sein Handeln und Wirken geht weiter über unsere Gemeindegrenzen hinaus.

Jahnweg
Friedrich Ludwig Jahn gilt als Initiator der deutschen Turnbewegung. Jahns Idee war es, die seiner Meinung nach verweichlichte deutsche Jugend tüchtig und wehrhaft zu machen. Zahlreiche Turngeräte wie beispielsweise das Reck und der Barren wurden von ihm eingeführt.

Wilhelm-Schäfer-Straße
Ehrenbürger der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen. Er war Lehrer, Dichter, Schriftsteller, Maler und Kulturmanager. In Ludwigshafen trägt die Straße, die über sein ehemaliges Grundstück führt, noch immer seinen Namen, führt aber durch sein Wohlwollen für das Nazi-Regime zu Grundsatzdiskussionen.
(zum SeeEnd-Bericht)

Paul-Weber-Straße
Ehrenbürger der Gemeinde Bodman-Ludwigshafen. Paul Weber (1893 – 1985) hatte in vielen Bereichen außerordentliche Fähigkeiten und Talente, die er in seiner Heimatgemeinde gewinnbringend einbrachte. Er hat sich um den Obstbau, die Politik, Prähistorie und Kunst bleibende Verdienste erworben.
(zum SeeEnd-Bericht, s.o.)

Über den Autor