Mit Hammer und Herz: Schmiedekunst am SeeEnde.

Wir erinnern uns! Etwa um 1820 begann der wirtschaftliche Aufschwung der SeeEnd-Gemeinde, gefördert durch den äußerst lebhaften Transithandel, mit dem neu entstandenen Speditionsplatz am Zollhaus und mit dem Beginn der Dampfschifffahrt. Die Einnahmen brachten der Gemeinde „Goldene Zeiten“.

Die örtlichen Kaufleute, Handwerks- und Übernachtungsbetriebe profitierten gleichermaßen, denn Pferde und Kutscher, die die Waren transportierten, mussten versorgt werden. Zeitweise passierten 30 – 40, bis zu sechsspännige Fuhrwerke, täglich die Sernatingenstraße. In Summe waren das täglich ca. 960 Hufe, 160 Wagenräder und 50-70 Kutscher.

In dieser Zeit war das traditionelle Schmiedehandwerk unverzichtbar. Schmiedearbeiten waren für Ross und Reiter sowie für Pferdewagen von entscheidender Bedeutung, um sowohl die Funktionalität als auch die Sicherheit zu gewährleisten. Wesentliche Aufgaben des Schmieds waren das Beschlagen von Pferden mit Hufeisen, die Herstellung von Zaumzeug und Steigbügel, Metallteile für die Achsen und andere Beschläge für die Pferdewagen. Insbesondere war der Schmied für die Herstellung und Reparatur von Metallreifen verantwortlich, die um die hölzernen Wagenräder gelegt wurden. Traditionell war der Schmied eine zentrale Figur in der Gemeinschaft, da er für die Herstellung und Reparatur von Alltagsgegenständen von großer Bedeutung war.

Die Aufgaben des Schmieds waren vielfältig. Neben Werkzeugen, Waffen und Bauteilen, zählten auch dekorative Elemente wie Geländer, Tore, Leuchter und Möbel zu seinem Handwerk. Der Beruf verbindet althergebrachtes Wissen mit modernen Techniken und ist ein faszinierendes Handwerk, das sowohl praktische als auch künstlerische Aspekte vereint.

In der SeeEnd-Gemeinde gab es einmal mehrere Dorfschmieden, in denen die Funken der Kreativität sprühten und Metall zum Leben erwachte. In Bodman war es die Dorfschmiede Rettich, in Ludwigshafen die Schmieden Stoffel und Karle, sowie die Schlosserei Lindenmayer, die Eisen im Feuer formten.

Heute kennen viele die ehemals zentrale Dorfschmiede  in der Sernatingenstraße nur noch als „Zinnkrug“. Von Helmut Stoffel haben wir erfahren, dass sein Großvater Leo Stoffel Anfang des 20. Jahrhunderts die Schmiede betrieben hat und es ist davon auszugehen, dass sie schon einige Jahrzehnte zuvor bestanden hat. Im Jahre 1936, übernahm Josef Stoffel, der Onkel von Helmut die Schmiede und führte sie am selben Standort weiter. Josef Stoffel stellte Werkzeuge für die Landwirtschaft her, reparierte landwirtschaftliche Geräte und beschlug Pferde. Er besuchte während seiner Ausbildung 1926 noch die Hufbeschlagschule in Karlsruhe. Anfang 1950 veräußerte Josef Stoffel das Gebäude an Otto Nadig, der aus der funkensprühenden Schmiede eine „softige“ Eis- & Milchbar machte.

Die neue Schmiede an der Stockacher Straße von Josef Stoffel, mit Tankstelle

Ab 1951 betrieb Josef Stoffel seine neu gebaute Schmiede, samt Tankstelle in der Stockacher Straße, auf der rechten Seite der Ortsausfahrt Ludwighafen. Neben den funktionalen Gegenständen, kamen mehr und mehr künstlerische Gestaltung und Bearbeitung von Metall hinzu. Diese Arbeit mit verschiedenen Metallen erforderte nicht nur handwerkliches Geschick, sondern auch ein gutes Auge für Design und Proportionen. Im Jahre 1978 übergab Josef Stoffel die Schmiedearbeit altersbedingt an Klaus Hecht. Von Maria Stoffel-Schwarz, der Tochter von Josef Stoffel haben wir erfahren, dass ihr Vater im stolzen Alter von 75 Jahren das letzte Hufeisen beschlagen hat. An einem Sonntag im Jahre 1980 passierte ein Reiter von Stockach kommend unsere Gemeinde. Sein Pferd hatte auf dem Weg ein Hufeisen verloren und er befand sich in Sorge, denn Hufeisen schützen die Hufe der Pferde vor Abnützung und Verletzungen. Der Schmiedemeister Josef Stoffel half in der Not und beschlug im Sonntagsanzug das verlorengegangen Hufeisen neu.

Das war seine letzte Schmiedeaktion und vermutlich auch das letzte beschlagene Hufeisen in unserer Gemeinde. Die Schmiede blieb noch bis 1994 in Betrieb. Danach wechselte sie, samt Wohnhaus und Nebengebäude, den Besitzer, wurden Ende der 90 Jahre abgerissen und machten Platz für ein neues Wohn- und Geschäftshaus.
Noch erinnert uns das markante und historische Gebäude (Zinnkrug) an der Einfahrt in die Sernatingenstraße, wie einst ein hoch angesehenes und traditionelles Handwerk Eisen und Stahl erhitzte, formte und gestaltete. Doch auch der letzte Zeuge dieser „Amboss-Poesie“, wo oft das Zentrum der Gemeinschaft war und alle alltäglichen Notwendigkeiten hergestellt wurden, wird bald neuen Zukunftsplänen weichen müssen.

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