Die Alte Greth und ihre Leibgarde

Bodman-Ludwigshafen hat verschiedene Sehenswürdigkeiten, denen der Rang eines Wahrzeichens zukommt. Im Ortsteil Ludwigshafen sind es Zollhaus, Kran und Hafenmauer. Auch das „Schlössle„, ein ehemaliges kleines Wasserschloss kann man dazuzählen. In Bodman sind es, weit über die Gemarkungsgrenzen sichtbar, die Ruine Altbodman und der Frauenberg. Das gräfliche Schloss mit seinem weitläufigen artenreichen Garten in räumlicher Nähe zur ehemaligen karolingischen Kaiserpfalz gehört selbstverständlich auch zu den Sehenswürdigkeiten, die Bodman charakterisieren.

Aber ein nicht weniger auffälliges und auf einer Vielzahl von Ansichtskarten, Gemälden und privaten Fotos wiederzufindendes Bauwerk am bodmaner Seeufer ist die Alte Greth, genauer gesagt, die Alte Greth und ihre Leibgarde, die himmelhohe Spitzpappel an ihrer Seite.

Erst der Kontrast, den die breite erdverbundene Konstruktion mit dem schlanken hoch aufragenden Gewächs bildet, erzeugt jene reizvolle, spannungsreiche Bildkomposition, die jeder augenblicklich und unwillkürlich als malerisch empfindet. Die beiden Elemente sind so untrennbar miteinander verbunden, dass man glauben könnte, sie seien Teil einer einheitlichen Gebäude- bzw. Landschaftsgestaltung. Aber dem ist nicht so. Die Pappel und das einstige Gerätehaus stehen auf unterschiedlichen Grundstücken, gehören verschiedene Besitzern. Die Verantwortung für die Erhaltung dieser einzigartigen, sich gegenseitig begünstigenden Konstellation liegt in verschiedenen Händen.

Auf alten Ansichtskarten ist zu sehen, dass nicht immer nur ein Baum die Alte Greth flankierte, wie es aktuell der Fall ist. Zu anderen Zeiten waren es bis zu drei. Wie es scheint, haben die Besitzer des Grundstücks, auf dem die Pappeln wachsen, es sich seit Generationen zur Aufgabe gemacht, sie zu erhalten und nachzupflanzen. Nichts und niemand verpflichtet sie dazu. Das ist umso bemerkenswerter als so gewaltige Bäume in unmittelbarer Nähe eines Wohnhauses eine latente Gefahr für dessen Bewohner darstellen angesichts gelegentlicher schwerer Unwetter. Nicht jeder würde sie in Reichweite seiner Heimstätte dulden.

Über die Geschichte der Alten Greth ist in Band II der Bodman-Monographie von Herbert Berner (Hrsg.) zu erfahren, dass sie wohl in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut wurde und als Handels- und Hafengebäude bei der alten Schiffsanlegestelle diente. Nachdem diese in den Bereich der ehemaligen Ziegelei verlegt wurde, verlor die Greth ihre Bedeutung als Handelsplatz der Gemeinde Bodman und wurde lange Jahre nur noch als Lagerraum für landwirtschaftliche Geräte genutzt. Im Jahre 1969 verpachtete der Eigentümer, Graf von und zu Bodman, das Gebäude in einem Erbaurechtsvertrag für 50 Jahre an den Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure Baden-Württemberg e.V..

Da der inzwischen marode Zustand des Gebäudes und auch seine unzureichenden Fundamente keinen einfachen Ausbau zuließen, wurde es vom Pächter abgetragen und in den Jahren 1970/71 im gleichen Stil und Ausmaß neu errichtet und modern ausgebaut. Im Erdgeschoss verfügt es über Speisezimmer und gastronomische Einrichtungen. In den beiden Obergeschossen sind 13 Doppelzimmer untergebracht. Das alte Lagerhaus hatte sich in eine attraktive und beliebte Tagungs- und Begegnungsstätte für das Bildungswerk des Baumeisterbundes und andere Vereinigungen verwandelt.

Mit dem Ende des Pachtvertrages 2019 hat die Alte Greth diese Aufgabe verloren. Seither ruht das imposante Bauwerk ungenutzt am Ufer und begnügt sich wieder damit, Malern und Fotografen Modell zu stehen und die Freundschaft mit der Pappel an ihrer Seite zu pflegen.

Bei der Betrachtung dieser pittoresken Kulisse kann man mit etwas Fantasie den Eindruck gewinnen, als ob die Alte Greth den Finger streckte, um sich zu melden und zu rufen, „Hier bin ich und ich habe etwas beizutragen zur Geschichte unserer Heimat, zur Verschönerung unseres Ortsbildes, zur Bereicherung unserer Kulturlandschaft und zur Freude aller, die mich mit Kunstverstand, Geschichtsinteresse oder Umweltbegeisterung wahrnehmen und wertschätzen.

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