Stolz und imponierend steht das Zollhaus – heute als Wahrzeichen des Ortsteils Ludwigshafen am SeeEnde. Bevor es als Bürger- und Gästezentrum in neuem Glanz erschien, hatte es eine eindrucksvolle Vergangenheit.
Zu Beginn des 19 Jhd. kommt der Warenverkehr in Sernatingen, getrieben durch den Lehrer Carl Zyriak Hama und gefördert durch die neue Dampfschifffahrt am Bodensee, so richtig in Schwung.
Als im Herbst des Jahres 1824 die Arbeiten am neuen Hafen voll im Gange sind, fordert das Seekreis-Direktorium im Oktober in Karlsruhe den Bau und die Notwendigkeit eines neuen Lagerhauses. An einsichtigen Gründen fehlte es nicht angesichts des Zustandes der vorhandenen Gebäude und der bei eintretendem Hochwasser drohenden Überschwemmungen der Lagerfläche, die jedes Mal die Auslagerung der Güter in Privathäuser zur Folge hat.
Im Dezember 1824 kommt von Karlsruhe die Zusage zum Bauvorhaben eines neuen Lagerhauses und im September 1825 die Genehmigung für diesen Bau. Leider befinden sich in den Archiven keine Unterlagen über den Baufortschritt.
Am 16. August 1826 meldet Oberingenieur Rochlitz, der mit dem Bau des neuen Hafens und des neuen Lagerhauses beauftragt war von Sernatingen aus die endgültige Vollendung der Bauten nach Karlsruhe.

1828 heißt es über den Ort, nachdem der Antrag auf eine Umbenennung angestoßen wurde:
„Der sich von der Seeseite aus um den Hafen bildende Halbkreis des Ortes, die so schön neu planierte Straße durch denselben, die neu restaurierte Pfarrkirche, das neue Schulhaus (der ehemalige Kindergarten/ heute Volksbank) und viele andere teils verschönerte Gebäude, welche jährlich zunehmen, und die romantische Lage an sich machen die Umbenennung nicht ganz unwürdig“.
Eine Lithografie von J.F. Wehrle ist ein einwandfreies Zeugnis aus dem Jahre 1828, denn die hier geschilderten baulichen Vorgänge lassen sich dort leicht identifizieren und haben somit dokumentarischen Wert. Neues und altes Lagerhaus nebeneinander, während der älteste Teil, der Überlinger Kornspeicher , nicht mehr erscheint, weil sein Abbruch bereits beschlossen ist.
Im April 1829 wird der Abbruch des ältesten, sehr baufälligen Salzstadels angeordnet. Vom zweiten Lagerhaus möchte sich die Gemeinde ebenfalls trennen und steht deshalb lange Zeit mit dem badischen Staat in Verhandlung. Doch zum Kaufvertrag kommt erst im Jahre 1834, als die Ausstattung des hiesigen Platzes mit einem großen Hauptzollamtsgebäude bereits erwogen wird.
Bereits nach 10 Jahren kommt es zum Abbruch des mit viel Aufwand vom Staat erbauten neuen Lagerhauses, um danach auf dessen Umfassungsmauern das neue Hauptzollamtsgebäude errichten zu können. Über seinen Bau wissen wir nicht viel, denn detaillierte Bauplanungen und Umsetzungen fehlen in den Archiven. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sämtliche Arbeiten von externen Handwerkern durchgeführt wurden, da dieses Großprojekt die Kapazitäten der örtlichen Handwerker bei weitem übertraf. Die praktische Folge ist ein zusätzlicher Wiederaufbau der Lagerhalle an neuer Stelle. Der heutige Bestand zeigt, welche Formation für die Neubauten damals gewählt wurden. Ein sogenannter Ladschopf, wo die Fuhrwerke be- und entladen werden, wird geschickt als Verbindung zwischen Lagerraum und Zollamt genutzt. Ein noch gut erhaltener Holzkran aus dieser Zeit ist der letzte stumme Zeuge einer beeindruckenden Vergangenheit.


Am 28. März 1836 beschließt die Gemeinde, für den gesamten Holzbedarf, vorwiegend aus eigenen Walddistrikten, aufzukommen, was für die Gemeinde eine gewaltige Anstrengung erforderte.
Auch viele Gespanne, die normalerweise für die Feldarbeit genutzt werden, kamen für den Holztransport zum Einsatz. Am SeeEnde entstand ein weiteres Mal eine ausgedehnte Baustelle mit einem gewaltigen Holzlager, zu dem auch die Heranschaffung der verschiedenen Baumaterialien wie Steine für die Maurerarbeiten hinzukamen.
Und wie schon früher, so wird auch jetzt während der gesamten Bauzeit der Speditionsbetrieb uneingeschränkt aufrechterhalten, denn er bringt wichtige Zolleinnahmen für den Staat.
Die Planung des neuen Hauptzollamtes liegt in den Händen der Konstanzer Bezirksinspektion, die bereits zur Jahreswende 1836/ 1837 zwei Entwürfe, ein dreistöckiges und ein zweistöckiges Gebäude vorlegte.
Beim Einrammen der Pfähle, die mit einer Länge von 6m mit einem Fallhammer ungespitzt in den Boden geschlagen wurden, zeigte sich, dass der Untergrund weit schlechter war als bisher angenommen. So mussten an dieser Stelle längere, stärkere und eine weit höherer Anzahl Pfähle eingeschlagen werden. Das war wohl der Hauptgrund, warum sich die Planer für ein zweistöckiges Gebäude entschieden haben. Ferner entschied man sich anstelle eines Giebeldachs für ein Walmdach, welches den Druck gleichmäßiger verteilt und dem Gebäude heute seinen speziellen Ausdruck verleiht. Das äußere Erscheinungsbild der Hauptfassade mit dem großen Bogeneingang, dem Wappen und der Schrift über dem Tor, sind identisch mit dem damaligen Erscheinungsbild.
Über die Bauzeit sind nur wenige Aufzeichnungen vorhanden. Sie kann aber gegen Ende des Jahres 1838 als weitgehend abgeschlossen gelten.


1839 gibt es Bauuntersuchungen, hauptsächlich auf das große Zollamtsgebäude am Wasser bezogen. Die schwerwiegendste Beschwerde sind bereits eingetretene Senkungen innerhalb des Hauses, denen durch komplizierte Maßnahmen, wie Verstärkungspfeiler unter den Dachzügen entgegengewirkt wurden. Außerdem wurde das zum Teil sehr schlechte Baumaterial bemängelt. An den Umfassungsmauern war keine Spur von ungleicher Senkung wahrzunehmen. Zur Abhaltung von Bodenfeuchtigkeit wurde eine 10 cm starke Betonschicht eingelegt.
Die Geschäfte blühen in den anschließenden Jahrzehnten und das Hauptzollamt mit seinem Lagerhaus dürfte stark frequentiert gewesen sein. Doch dann, gegen Ende des 19. Jhd. erwächst den florierenden Schiffverbindungen eine neue Konkurrenz – die Eisenbahn.
Die Schiffsumschlagsplätze verlieren ihre Anziehung und hören schließlich ganz auf zu bestehen, noch bevor das Jahrhundert zu Ende geht.
Im Jahre 1895 wird die Eisenbahnstrecke Radolfzell- Überlingen eröffnet. Ludwigshafen wird Bahnhof. Das Ende des hiesigen Speditionsplatzes ist da.
Die ehemalige Lagerhalle am Zollhaus wird zur Obstsammelstelle, denn durch den vorhandenen Gleisanschluss ergeben sich günstige Verlademöglichkeiten in Eisenbahnwaggons. Diese besteht bis in die 50er Jahre hinein. Zum letzten Mal wird die bis dahin schon über 100 Jahre alte Lagerhalle einem ganz anderen Zweck zugeführt. Sie dient Anfang der 60er Jahre als Notkirche während des Um- und Neubaus der Kath. Kirche St. Otmar. Danach wird das Zoll- und Lagerhaus mehr oder weniger als Miets- und Abladehaus genutzt. Verschiedene Ortsvereine lagerten dort ihre Gerätschaften und das Gebäude wurde teilweise dem Verfall preisgegeben.
Seit Mitte 1982 gehört das ehemalige Landeseigentum der Doppelgemeinde. Es folgten Diskussion über dessen weitere Verwendung und bereits im selben Jahr wird ein Wettbewerb über die Sanierung des Zollhauses ausgeschrieben. Am 26. September 1989 erfolgt die Beauftragung zur Umgestaltung zu einem Bürger- und Gästezentrum.


Nach 27 Monaten Bauzeit und mit Gesamtkosten von 10 Millionen DM, erfolgt die Eröffnung am 19. November 1993.
Durch den Umbau und die Renovierung des ehemaligen Zollhauses wurde ein neuer öffentlicher Mittelpunkt geschaffen. Es ist ein modernes und leistungsfähiges Multifunktionsgebäude für die Gemeindeverwaltung und das gesellige, kulturelle Leben der Bürgerschaft, sowie für unsere Gäste.
Derweilen präsentiert sich das Gebäude noch immer wir vor 185 Jahren. Der einstige Hausherr über dem Haupteingang ist in Stein gemeißelt, das badische Wappen in den Fängen von zwei Greifvögeln zeigend, mit der Inschrift: Großherzoglich Badisches Hauptzollamt.