Am 3. Dezember 2021 starb Horst Eckel (1932 – 2021), der letzte Weltmeister von 1954. Zusammen mit seinem Trainer Sepp Herberger und den Spielerlegenden, wie Fritz Walter, Helmut Rahn oder Toni Turek, passierten „Die Helden von Bern“ am 05. Juli 1954 den Bahnhof von Ludwigshafen. Auf der Strecke vom schweizerischen Spiez bis nach München, herrschte der Ausnahmezustand auf den Gleisen und Bahnhöfen, wo tausende Menschen mit grenzenloser Begeisterung dem Weltmeister-Zug und ihren Helden zujubelten.
Nur in wenigen Bahnhöfen konnte der rote, mit Blumen verzierte Zug anhalten. Die Menschenmassen waren teilweise so groß, dass ein Verlassen des Zuges kaum möglich war. Bei einem kurzen Stopp in Singen, bei dem 20.000 Menschen anwesend waren, wagten sich einige Spieler auf den Bahnsteig. Der Torhüter Toni Turek wird mit folgenden Worten zitiert: „Ob wir da lebend wieder rauskommen?“ Außerdem wäre bei den vielen gewünschten Stopps der anliegenden Gemeinden, der Zug wohl mehrere Tage unterwegs gewesen. So glitt der Weltmeister-Zug zumeist im Schneckentempo durch viele Bahnhöfe, wo Kinder und Erwachsene ausgelassen die Arme schwenkten und die Triumpf-Fahrt mit Blumen umsäumten.
Auch in Ludwigshafen standen viele Menschen, um Zeugen dieses denkwürdigen Ereignisses zu werden. Zeitzeugen berichten, dass sie als junge Mädchen und Burschen auf der Rampe stehend, an Bäumen geklammert und auf Büschen kauernd, versuchten einen Blick auf die Weltmeister zu erhaschen. Es spielte wohl eine Abordnung des Musikvereins, auch wurden Blumen und Fähnchen eifrig geschwenkt. Kleine Geschenke gab es und etliche versuchten, irgendwie ein Autogramm zu erbeuten.
Hier am SeeEnde, wie im restlichen Deutschland, löste der Titelgewinn von 1954 einen wahren Freudentaumel aus. Neun Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges war es für die hart geprüften Menschen mehr als nur ein sportlicher Erfolg. Der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 hob das gebeutelte Selbstwertgefühl und stärkte die Identifikation vieler Westdeutscher mit ihrem noch jungen Staat. Neuzeitliche Historiker bezeichnen gar das „Wunder von Bern“ als die eigentliche Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Obwohl am 23.05.1949 das Grundgesetz schon feierlich verkündet und unterzeichnet wurde, hat dieses Sportereignis die Herzen und Seelen der Menschen so tief berührt, dass sie als eigentliche Geburtsstunde der BRD bezeichnet wird. Auch unsere Zeitzeugen spüren heute noch die Kraft für die Wiederbelebung einer gedemütigten Nation, die sich plötzlich wieder auf Augenhöhe mit anderen Nationen sah.
Deutschland wurde zum allerersten Mal Fußball-Weltmeister. Das war tatsächlich wie ein Wunder, denn die deutsche Nationalmannschaft gehörte damals überhaupt nicht zu den Top-Teams. Umso überraschender war ihr Sieg am 4. Juli 1954 gegen den haushohen Favoriten Ungarn mit 3:2. Diese ungarische Mannschaft wurde die „Goldenen Elf“ genannt und galt zu diesem Zeitpunkt als unbesiegbar. Fast die gesamte Bundesrepublik und die DDR sollen live an den wenigen Fernsehapparaten und vor allem am Radio mit gefiebert haben. Die siegreiche Mannschaft von Bern wurde in der Heimat seit dem 4. Juli 1954 verehrt. Allen voran Kapitän Fritz Walter, Siegtorschütze Helmut Rahn und Trainer Sepp Herberger erlangten den Status von Volkshelden.
Allen, die es damals gehört haben, klingt der berühmte und unvergessliche Ausruf des Radioreporters Herbert Zimmermann noch im Ohr: „Aus! Aus! Aus! – Aus! – Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!“
So war Ludwigshafen am SeeEnde, wenn auch nur für kurze Zeit, Teil einer großen, jubelnden Fan-Gemeinde und bereicherte den perfekten Abschluss für eine unvergessliche Reise der „Helden von Bern“.
Mit dem Tod von Horst Eckel geht eine außergewöhnliche Ära zu Ende. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass der Coach Sepp Herberger eine Gemeinschaft im Sinne „alle für einen – einer für alle“, also eine Mannschaft im urtümlichsten Sinne formte und dies als mit ausschlaggebend für das Erringen des Endspielsieges gilt. Die Erinnerung daran kann viele Zeitalter überdauern und verspricht Erfolg für alle, die ehrlichen Gebrauch davon machen – damals wie heute.