Kling, Glöckchen, klinge-linge-ling!

In den bekannten Weihnachtslieder, wie „Süßer die Glocken nie klingen“, „Jingle-Bells“ oder „Kling Glöckchen“, hat das Glöcklein als Sinnbild von Freude und Harmonie ihren festen Platz.

Glocken sind als Musikinstrument die verbreitetsten und größten Freiluftinstrumente. Die Wurzeln der Glocke liegen ungefähr 5.000 Jahre zurück und sind in China zu verorten. Sie zählen somit zu den frühesten Erfindungen der Menschheit, die vor allem bei kultischen und religiösen Handlungen eine wichtige Rolle spielten.

Im 4. Jahrhundert tauchten die Glocken dann allmählich im Christentum auf. Die Glocke fungierte dabei nicht nur als akustisches Signal für die Verkündigung der frohen Botschaft, sondern sie hatte auch eine praktische Bedeutung. Sie läutete zu unterschiedlichen Gebetszeiten und strukturierte so den Tag der christlichen Gemeinden. Als die Menschen  noch keine Uhren besaßen, waren sie auf den Glockenschlag als Zeitgeber angewiesen. Auch bei weltlichen Anlässen, wie Feuer-, Sturm- und Alarmläuten ertönten die Kirchenglocken.
Besonderes lange ertönen die Glocken beim „Neujahrsläuten“, dass am 31. Dezember um 24 Uhr beginnt und zwischen 10 – 30 Minuten dauern kann.

Traditionell läuten die Kirchenglocken vor einem Gottesdienst, um die Gemeinde in die Kirche zusammenzurufen. Heutzutage wird sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche morgens, mittags und  abends geläutet. Das Gebetsläuten nennt sich in der katholischen Gemeinde „Angelusläuten“ und beruht auf dem Angelusgebet, welches zu den drei Tageszeiten gebetet wird.

Glocken im Kirchturm St. Otmar. Oben: a´- und cis´-Glocke. Unten: h´- und fis´-Glocke.

Der Turm der Pfarrkirche St. Otmar hat einen Glockenstuhl mit 4 Kirchenglocken, die allesamt eine ungewöhnliche Historie aufweisen. Die älteste Glocke von 1476 und die jüngste Glocke von 1977. Hinter den blauen Holzlamellen des Kirchturms verbergen sich 1032 Glockenjahre. 1936 erhielt die Pfarrei ein neues Geläut mit 4 Glocken. Die kleinste, die a´-Glocke ist noch erhalten, alle anderen wurden beim Ausbruch des 2ten Weltkrieges abgebaut, eingeschmolzen und anderen Verwendungszwecken zugeführt. Sie sollten nie wieder zurückkehren.

In den ersten Nachkriegsjahren kamen per Bahn zwei Glocken als Leihgabe aus Norddeutschland in Ludwigshafen an, die beide den Krieg auf einem Schrottplatz überdauerten. Nachgewiesenermaßen hingen sie einst auf den Kirchtürmen der Gemeinden Girlachsdorf (1476) und Schebitz (1623) und konnten nicht mehr zurückgebracht werden, weil diese beiden Gemeinden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu Polen gehörten.

Beide Glocken haben ein bemerkenswert hohes Alter. Die h´-Glocke gegossen im Jahr 1623 und die cis´-Glocke stammt aus dem Jahr 1476. Die fis´-Glocke aus der Heidelberger Glocken- und Kunstgießerei Schilling wurde von Frau Maria Keller gespendet und vervollständigt als vierte Glocke, seit ihrer Einweihung am 20. November 1977, das Klang-Ensemble. Seit über 47 Jahren tun sie gemeinsam und zuverlässig ihren Dienst.

Aufgrund der eigenwilligen Zusammenstellung und interessanten Tonkombination klingt das Geläut sehr abwechslungsreich, quasi mit eigenem Charakter.

Wenn die Glocken vom Turm der Pfarrkirche St. Otmar das alte Jahr verabschieden und ein neues willkommen heißen oder die Glocken als Rufzeichen Gottes an uns Menschen zum nächsten Gottesdienst einladen, dann können wir ihre Klänge viel bewusster wahrnehmen, denn wir kennen jetzt ihre Geschichte! Vielleicht gönnen wir auch einen kurzen Moment den Menschen, die vor über 400 Jahren, die „Freiluftinstrumente“ aus Lehm gebrannt haben und diese ohne Unterlass ihre angedachte Aufgabe  erfüllen.

Die erste Glockenvariante bekommt einen Riss!

Der Guss der fis´-Glocke verlief nicht reibungslos. Die erste Auslieferung war für den August 1977 geplant. Am 6. Juli 1977 erreichte den damaligen Pfarrer Karl Kutz folgendes Schreiben:
„Leider müssen wir Ihnen eine traurige Mitteilung machen. Um den vereinbarten Abholtermin am 5. August einhalten zu können, mussten wir die gegossene Glocke so schnell wie möglich aus der Grube ausgraben. Durch die warme Witterung bedingt, ist das Glockenmetall zu langsam abgekühlt, so dass es beim Auspacken zu Spannungen kam und die Glocke nun einen Riss aufweist. Diese Glocke können wir natürlich nicht abliefern und müssen sie neu gießen. Es werden jetzt nochmals acht bis zehn Wochen vergehen, bis diese fertig gestellt ist und zu Ihrer Verfügung steht.“

Der zweite Guss gelang und die Glocke konnte rechtzeitig zum Kirchenpatrozinium 1977 aus Heidelberg abgeholt werden.

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