Flammendes Inferno – Großbrand bei der Wein- und Süßmostkelterei Sinner

Zunächst sah der 22. September 1973 wie ein gewöhnlicher Spätsommertag aus, der mit den Vorboten des Herbstes ruhig und friedlich begann. Dies änderte sich schlagartig, als am frühen Nachmittag plötzlich eine riesige schwarze Rauchwolke stundenlang über Ludwigshafen hing. In der Mittagszeit war im Wein- und Keltereibetrieb Andreas Sinner, im gesamten Gebäudekomplex, ein Großbrand ausgebrochen, der die gesamte Einwohnerschaft in Staunen und die lokale, sowie benachbarte Feuerwehr in Atem hielt.

In der nahegelegenen Schule drückten die SchülerInnen, mit weit aufgesperrten Mündern, ihre Nasen an die Fensterscheiben und verfolgten ungläubig das Geschehen. Für die sofort angerückte lokale Feuerwehr bot sich ein gespenstisches Bild. Der Brand hatte sich bereits schnell und unkontrolliert über den mittleren Produktionstrakt ausgebreitet und fraß sich mittlerweile an der Wand des hohen Westgebäudes seinen Weg durch die Mauern und über den Dachstuhl.

Nachdem der Besitzer in der Brennerei einen Kurzschluss festgestellt hatte und diesen kontrollieren wollte, brannte es bereits lichterloh. Der Schwelbrand hatte sich zu einem Großbrand ausgeweitet, denn das Feuer fand in den tausenden gestapelten PVC- und Holzkisten reichlich Nahrung. Für die örtliche Feuerwehr war sofort klar, dass ihre Kräfte allein nicht ausreichen würden, denn es fehlte an Schläuchen und vor allem an einer großen Drehleiter, die eine Brandbekämpfung von großer Höhe ermöglicht. So wurde umgehend die Überlandhilfe aus Stockach und Überlingen über Funk angefordert, die mit allen verfügbaren Männern und Gerätschaften anrückten.

Die Brandbekämpfung war schwierig. Das Feuer breitete sich mit rasender Geschwindigkeit aus und die Hitzeentwicklung war so stark, dass sich die Wehren zunächst auf das Abschirmen der Nachbargebäude beschränken mussten. Immer wieder erhöhte sich die Gefahr, wenn die Flammen in Richtung der großen Aluminium-Tanks züngelten, in denen der eingedickte Fruchtsaft lagerte. Man befürchtete eine große Explosion und die anschließende unkontrollierbare Ausbreitung des Brandes auf Nachbarhäuser, nachdem bereits kleinere und mittlere Explosionen zu hören waren. Eine davon, wie später mitgeteilt wurde, war ein größerer Öltank, der zwischenzeitlich in die Luft flog.

Das größte Handicap war die Löschwasserversorgung. Im Gegensatz zu heute, gab es nur wenige Wasserhydranten in der Nähe, die zur Bekämpfung genutzt werden konnten. Das Löschwasser musste kompliziert aus dem Bodensee herangeführt werden. Um den Zugverkehr nicht zum Erliegen zu bringen, wurde der Schotter unter den Gleisen herausgebuddelt und die Druckschläuche durch diese Freizonen hindurchgeführt. Das kostete wertvolle Zeit und verschlang Schlauch um Schlauch für die Wasserbücke vom Hafenbecken zur Radolfzeller Straße. Heute ist ein ausreichend großes Netz von Über- und Unterflurhydranten gespannt, auch die Überbrückung der Bahngleise ist mit einem dicken Rohr dauerhaft installiert.

Erst nach Stunden brachten die Wehren aus Ludwigshafen, Stockach und Überlingen das Feuer unter Kontrolle. Die Bundesstraße B34 war während dieser Zeit voll gesperrt. Rauch, Wasserschläuche und andere Gerätschafften machten ein Durchkommen unmöglich. Natürlich verfolgten auch viele Menschen aus sicherer Entfernung dieses Großereignis.

Am nächsten Tag, als sich der Rauch verzogen hatte, bot sich ein Bild der Verwüstung auf dem Gelände des Keltereibetriebes Sinner. Das Feuer hatte ganze Arbeit geleistet und die meisten Betriebsgebäude zerstört oder stark beschädigt. Im Mitteltrakt wurden wertvolle Keltereimaschinen, sowie Spezialmaschinen für die Eindickung der Fruchtsäfte vernichtet. Verdampfungsmaschinen, Destillieranlagen und größere Lagerbestände fielen dem Brand zum Opfer. Nach ersten Schätzungen lag der Verlust bei ca. 2-3 Mio. DM, eine ungeheure Summe zu der damaligen Zeit. Ein kleiner Trost war, dass in unterirdischen Tanks, die im Spätsommer immer prall gefüllt waren, ein großer Teil der vorbereiteten Fruchtsäfte den Brand unversehrt überstanden hatte.

Heute erinnert äußerlich nichts mehr an diese Katastrophe, die einen beispiellosen Sachschaden, aber keinen Personen- und keinen größeren Umweltschaden verursachte. Die Wasserversorgung und erforderlichen Gerätschaften, wären zum gegenwärtigen Stand für eine Brandbekämpfung um ein Vielfaches besser, was aber hoffentlich nie mehr getestet werden muss.

(Bildmaterial in Farbe mit freundlicher Unterstützung von Thorsten Kölling)

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