Die Seegfrörne – ein Jahrhundertereignis

Die Älteren unter uns erinnern sich noch gerne an das Jahrhundertereignis der Seegförne von 1963. Ich, Jahrgang 1969, habe die Seegfrörne leider nicht erleben dürfen und werde aller Voraussicht nach auch keine mehr erleben. So selten ist dieses Naturereignis und der Klimawandel tut sein Weiteres.

Ich kann mich noch sehr gut an die Winter in meiner Kindheit erinnern, die deutlich kälter waren als heute. Regelmäßig konnten wir im Januar und Februar am Seeufer vom Waschplatz bis zum Lettloch Schlittschuh laufen und Eishockey spielen. Aber eine Seegrörne ist etwas anderes.

Von einer Seegfrörne spricht man, wenn der ganze Bodensee gefroren ist. Der Untersee zwischen der Reichenau, der Schweiz und Radolfzell gefriert öfters zu und dieses Spektakel habe ich auch schon einige Male erlebt. Eine richtige Seegfrörne ist es, wenn auch der Überlinger See und der Obersee von Meersburg bis Bregenz zugefroren sind, dass man den See auf dem Eis überqueren kann. Aber auch teilweise Seegfrörnen finden in den Chroniken Erwähnung, so selten ist dieses Naturereignis. Die erste überlieferte Überquerung des Überlinger Sees von Menschen auf dem gefrorenen Eis datiert auf das Jahr 1376.

Kommen wir aber zu der Seegfrörne zurück, die sich im Winter der Jahre 1962/63 ereignete. Es war wahrhaftig ein eisiger Winter. Bereits der November lieferte Temperaturen von – 7,5 °, der Dezember  – 13 °. Am Untersee wurden Fußwege über das Eis bereits am 15. Januar freigegeben. Der Überlinger See fror vom Seeende aus zu. Am 24. Januar musste der Motorbootbetrieb zwischen Bodman und Ludwigshafen wegen des Eises eingestellt werden.

Zwei Tage später wagte sich als erster ein junger Bodmaner mit Schlittschuhen und einer Leiter vor sich herschiebend von der Bodmaner Landestelle bis an den Ludwigshäfler Bahnhof. Zu diesem Zeitpunkt war etwa eine 5 Quadratkilometer große Fläche eingefroren, aber es gab noch große offene Flächen auf dem Überlinger See, auf denen sich die Wasservögel zusammen horteten. Eine weiterer Temperatursturz am 30. Januar ließ den gesamten Überlinger See gefrieren. Am 1. Februar 1963 wurde der Fußweg über das Eis zwischen Ludwigshafen und Bodman bei einer Eisdicke von 12 bis 14 cm freigegeben. Am 5. Februar wurde die Überquerung des Sees auch bei Überlingen erlaubt. Dann fror der See immer weiter zu und am 12. Februar fand die bekannte Eisprozession zwischen Hagnau und Münsterlingen (Schweiz) statt, bei der eine Heiligenfigur von der einen Seeseite auf die andere Seeseite getragen wird. Auch in den Jahrhunderten davor war das Eis nur ganz selten so stark, dass sich die Menschen zu Hauf über den See trauten. Im Jahr 1963 genossen die Menschen das seltene Ereignis in vollen Zügen. Jeder wollte dabei sein. Von Tag zu Tag kamen mehr Menschen und genossen den Fußweg zwischen Ludwigshafen und Bodman.

Die Höhepunkte des Jahres waren ein Eisfest zwischen Bodman und Ludwigshafen Anfang Februar und die Fastnacht, Ende Februar die „selbstverständlich“ auch auf den See verlegt wurde. 7.000 Menschen kamen zu dem Spektakel.

Je stärker das Eis wurde, desto mehr trauten sich die Menschen auf das Eis, wenngleich es immer wieder ein erschütterndes Knarren und Knallen auf dem Eis gab. Die erste Überquerung des Überlinger und des Obersees mit einem Auto, das sich auf seinen Rädern über den See bewegte und nicht auf einer Fähre stand, da sind sich die Chronisten von Seeen.de einig, fuhr von Ludwigshafen nach Bodman. Man kann es als sehr mutig oder auch als groben Leichtsinn bewerten. Möglicherweise spielte auch Durst und Alkohol eine Rolle, als sich diese jungen Häfler auf die Jungfernfahrt in ihrem Auto auf den See begaben. Doch diese „Geschichte“ verdient einen eigenen Bericht auf unserer Seite. Wie beim „Ei des Kolumbus“, wenn man weiß, dass oder wie es geht, dann kann es jeder. In der Folge trauten sich immer mehr Menschen mit ihren Autos auf’s Eis.

Auch mein Opa Willi (Specht) und mein Ur-Großvater Willi Specht sen. alias Kronenpäpa. Allerdings hat es auch Menschen gegeben, die ihren Übermut mit dem Leben bezahlten. 5 Autos sollen während der Seegfrörne auf dem See eingebrochen sein.

Im März des Jahres 1963 endete die längste, in den Chroniken festgehaltene, Seegfrörne.

Die letzte Seegrörne – Das Jahrhundert- vielleicht auch Jahrtausendereignis

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