Der (schiefe) Kirchturm von Bodman.

Mit freundlicher Unterstützung von Wilderich Graf Bodman.

Ein bisschen Flair von Pisa gibt es auch bei uns am SeeEnde, denn wir haben in der Doppelgemeinde einen Turm mit ordentlicher Schieflage. Abhängig vom Standort des Betrachters vielleicht nicht sofort auffällig, aber an der richtigen Stelle und mit dem Wissen der Schräglage, nicht zu übersehen.

Wahrzeichen des Pfalzortes Bodman ist der mächtige Turm der Pfarrkirche St. Peter und Paul.
Der Turm wurde im 15. Jh. in zwei Bauabschnitten errichtet. Für den Aufbau haben die Bauleute Holzgerüste verwendet und nach Fertigstellung der Baumaßnahmen die in die Mauern eingeputzten Balken abgesägt. Aufgrund dieser Holzreste im Mauerwerk, ließen sich 2002 „dendrochronologisch“ die Fälldaten der Eichenhölzer und dadurch die Bauzeiten des Turmes auf die Zeit zwischen 1426 und 1440 bestimmen. Die Aufstockung mit dem Dachgeschoss und dem für die Bodenseegegend  charakteristischen Krüppelwalmdach, sowie den typischen Schallöffnungen, erfolgte, nach den Fälldaten der Bäume für die verwendeten Balken, im Jahre 1487.

Weit älter sind die Befunde über die Vorgängerkirchen aus dem Untergeschoss des Turmes. Pfarrer Dieter Göpfert ließ 1975 den Boden der Sakristei im Erdgeschoss erneuern. Das Landesdenkmalamt nutzte die Gelegenheit für Grabungen und konnte im Ergebnis feststellen: zeittypische Mörtelbrocken und Gräber ohne Beigaben, lassen auf eine Kirche aus dem 7. Jh. schließen, auf die diese Funde zugeordnet werden konnten. Ein mit Holz ausgekleidetes Grab, eines über 1,75 m großen Mannes, dem – wohl aus kultischen Gepflogenheiten – vier Lesesteine an die Seite gelegt waren, fand besondere Aufmerksamkeit. Es wird eine alemannische Siedlung oder ein Gutshof im Kirchenbereich vermutet. Weiterhin wurde eine aufstehende Mauer aus dem Ende des 7. Jh./ Anfang des 8. Jh. ausgegraben, die eine frühkarolingische Kirche annehmen lässt. Der Friedhof wurde aus dieser Zeit weiterhin genutzt und die Kirche mag auch als Pfalzkapelle, für die unterhalb am Seeufer gelegene Kaiserpfalz gedient haben.

Schließlich wurden Grundmauern eines niedergelegten Kirchturms aus dem Anfang des 12. Jh. angeschnitten. Im Übrigen befinden sich im Turm über der Sakristei, im Erdgeschoss mit Wänden von über 1,60 m Tiefe, fünf weitere Geschosse. Im ersten OG werden in Schränken die Paramente (in der Liturgie verwendetet Textilien) und Fahnen aufbewahrt. Im zweiten OG hängen die Gewichte einer ehemals mechanischen Kirchenuhr, außerdem wird eine gotische Türe aufbewahrt und man gelangt von hier aus in den Kirchenspeicher. Im dritten OG befindet sich das eiserne alte Uhrwerk und im vierten OG ist der Glockenstuhl. Die Glocken waren im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt und für den Guss von Kriegswaffen entfernt worden. Pfarrer Josef Kuss ließ alternativ ein Tonband mit dem Geläut des Radolfzeller Münsters auf den Turm bringen. Bisweilen sprang das Tonband auf eine andere Spur und es ertönte vom Kirchturm die Melodie „Es war einmal ein treuer Husar …“.

Erst 1968 konnte die Pfarrei in Heidelberg vier neue Glocken gießen lassen. Diese Glocken wurden jeweils Patronen gewidmet: Christus – Ton E, Peter und Paul – Ton fis, Johannes Baptist – Ton gis und Maria – Ton H. Das fünfte OG ist das Dachgeschoss, in dessen Mitte sich noch ein drehbarer Pfosten aus der Bauzeit befindet, mit dem Materialien heraufbefördert werden konnten. Der Kirchturm hat eine deutlich Schräglage, ohne bedrohliche Abrisse zu zeigen. Er neigt sich um stabile 1,40 m nach Norden dem See zu, vermutlich, um die Seesicht in vollen Zügen zu genießen. Dem „Schiefen Turm von Pisa“ wird noch eine Standzeit von 300 Jahren zugesprochen, das könnte der schiefe Turm von Bodman noch locker überstehen.

Kirchturm Bodman und gräflicher Schlosspark im Vordergrund

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