Vor 45 Jahren rückte die Gefahr eines terroristischen Angriffs durch die Rote Armee Fraktion (RAF) plötzlich ganz in die Nähe des Seeendes. Am 03. Mai 1977 kam es in Singen zu einer dramatischen Schießerei mit anschließender Verfolgungsjagd. Zwei Mitglieder der RAF, Günter Sonnenberg und Verena Becker, eröffneten im Rahmen einer Personenkontrolle das Feuer auf zwei Polizisten. Der eine, Wolfgang Seliger, wurde von sechs Kugeln in Hand, Schenkel und Oberkörper getroffen und lebensgefährlich verletzt; der andere, Uwe Jacobs, kam mit einem Schuss in den Unterarm und zwei Streifschüssen vergleichsweise „glimpflich“ davon. Auch die beiden Terroristen erlitten schwere Schussverletzungen und wurden von der Polizei überwältigt.
Nach Günter Sonneberg wurde im Zusammenhang mit der Ermordung des Generalbundesanwaltes Siegfried Buback vier Wochen zuvor in Karlsruhe gefahndet. Verena Becker war im Frühjahr 1975 durch die Geiselnahme des West-Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz freigepresst worden. Sie galt als Mitglied der RAF-Führungsebene. Bei der Maschinenpistole, die sie bei sich hatte, handelte es sich um die Tatwaffe des Karlsruher Attentats.
Die Ereignisse des Jahres 1977 Im Jahr 1977 erreichten die Aktivitäten der sogenannten zweiten Generation der Roten Armee Fraktion ihren Höhepunkt. Am 7. April wurden in Karlsruhe der Generalbundesanwalt Siegfried Buback, sein Fahrer und der Leiter der Fahrbereitschaft von einem Motorrad aus in ihrem Auto erschossen. Am 30. Juli wurde der Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG Jürgen Ponto ermordet. Am 25. August scheiterte ein Anschlag auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Am 5. September kam es zur Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer in Köln, dabei wurden sein Fahrer und drei Polizeibeamte ermordet. Am 13. Oktober kam es zur Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ mit 86 Geiseln an Bord, um die Freilassung von elf inhaftierten RAF-Terroristen zu erzwingen. Das Flugzeug wurde nach einer Odyssee durch die arabische Welt auf dem Flughafen Mogadischus durch die Spezialeinheit GSG-9 gestürmt. Alle Geiseln blieben unverletzt; die Entführer wurden getötet.
Und was hat das alles mit Bodman zu tun?
Vielleicht nichts. Oder vielleicht doch.
Denn es gab die Vermutung, dass Mitglieder der Rote Armee Fraktion sich daran machten, die Örtlichkeiten in Bodman auszuspähen, in der Absicht, dort auf einen prominenten Urlaubsgast ein Attentat zu verüben. Von wem dieses Gerücht ausging und auf welchen Annahmen oder Beobachtungen es beruhte, bleibt ungeklärt.
Bodman war am Seeende stets ein bedeutender Tuoristenmagnet und ist es bis heute. Durch seine abgeschiedene Lage frei von Durchgangsverkehr, am Fuße des wildromantischen Bodanrücks, vor einer grandiosen historischen Kulisse mit Ruine und Frauenberg erfüllt der Ort alle Voraussetzungen für einen touristischen Geheimtipp. Ein Besuch oder Urlaub in Bodman lohnt sich aber auch wegen der attraktiven Angebote im Bereich des Gastgewerbes.
An erster Stelle ist hier das Hotel „Linde“ zu nennen mit seinen Dépendancen „Hotel Sommerhaus“ und „Hotel Fischerhaus“. Johann Nepomuk Kraus pachtete um das Jahr 1860 das im gräflichen Besitz befindliche Gasthaus „Linde“ in welchem auch die Poststation untergebracht war. Damit begründete er eine gastronomische Familientradition, die zunächst von seinen Sohn Johann Baptist Kraus, danach von seinem Enkel Willi Kraus und heute in vierter Generation von der Familie Rainer Nikolaus Kraus im „Hotel Sommerhaus“ und Eva Maria Kraus im „Hotel Fischerhaus“ fortgeführt wird. 1972 endete in der „Linde“ die Ära Kraus. Hotel und Restaurant wurden unter anderer Leitung noch ein paar Jahre weitergeführt bis das verfallende, von Efeu überwucherte Gebäude nach über 20-jährigem Dornröschenschlaf schließlich im Jahr 2012 abgerissen wurde. Im Sommer 2019 eröffnete an selber Stelle ein neues Hotel mit dem Namen „Seehotel Villa Linde“, das in Form und Farbe dem ehemaligen Gebäude nachempfunden ist und damit seiner Berufung als Identifikationsobjekt im Zentrum des Dorfes gerecht wird.
Wer mit dem Schiff nach Bodman kam, wurde -geraden Wegs- von dem sich auf einer Anhöhe befindenden Gebäude mit seinem zentralen und ausladenden Treppenaufgang und den mächtigen, namensgebenden Linden herrschaftlich empfangen. Das Hotel „Linde“ zählte seit den 1930er Jahren zu den renommiertesten Häusern am westlichen Bodensee, das viele illustre Kurgäste und Prominenz aus dem In- und Ausland beherbergte. Im Jahre 1934 logierte hier gar der König von Siam mit seinem Hofstaat. Ebenso die Fußballnationalmanschaft von 1954.
Bedeutsam im Kontext dieses Artikel ist aber besonders eine Persönlichkeit: Werner Maihofer, von 1974 bis 1978 Bundesminister des Innern. Seine Amtszeit war überschattet von den Terroraktivitäten der Gruppe Rote Armee Fraktion (RAF). Im Zuge der Fahndung nach den Mördern von Buback, Ponto und Schleyer war er außerdem in die Lauschaffäre „Traube“ und weitere illegale Aktivitäten des Bundesverfassungsschutzes verwickelt. Dass er dadurch bei der RAF ein potentielles Angriffsziel für einen Mordanschlag war, kann man sich denken.
Als gebürtiger Konstanzer wußte Maihofer die Vorzüge Bodmans als Erholungsort zu schätzen und verbrachte mehrere Urlaube dort. Natürlich immer mit einem großen Aufgebot an Personenschützern, wie sich Eva Maria Kraus erinnert.
Die Vermutung, dass die Mitglieder der Rote Armee Fraktion Bodman als möglichen Anschlagsort ins Visier nahmen, ist daher gar nicht so abwegig, zumal zwei der Terroristen in großer geografischer Nähe von der Polizei überwältigt wurden. Auch wenn bei den beiden Bahntickets von Essen nach Zürich gefunden wurden, was eine Flucht in die Schweiz vermuten lässt, darf man sich dennoch fragen, weshalb sie in Singen ihre Fahrt unterbrochen haben. Auch sprechen die RAF-Aktivitäten des Jahres 1977 eher für eine terroristische Offensive als für einen Rückzug. Falls es einen Plan zur Ermordung von Maihofer am Seeende gegeben haben sollte, wurde er aufgegeben oder vereitelt.
Wie auch immer. Glücklicherweise blieb Bodman von einem derart tragischen Ereignis und der damit verbundenen traurigen Berühmtheit verschont.