Ja, es gibt sie noch – Menschen, die sich daran erinnern, wie sie Milch direkt beim Bauern oder beim Milchhäusle geholt haben, um sie in einer Blechkanne noch lauwarm nach Hause zu tragen. Normalerweise war dieser Abholdienst den Kindern und Jugendlichen zugedacht, die entweder früh morgens oder am Abend den Weg zum Bauern antraten. Dementsprechend sahen die Milchkannen in vielen Häusern auch aus. Dallen, Schürfspuren und eingedrückte Ecken in den Kannen zeigten die jugendlichen Versuche, auf dem Heimweg die physikalischen Gesetze zu testen. Allem voran das Schleudern der Milchkanne mit ausgestrecktem Arm, um zu erproben, ob die Zentrifugalkraft die Milch auch wirklich in der Kanne hielt. Oder das Balancieren auf jeder verfügbaren Gartenmauer, bei der Abstürze natürlich einkalkuliert waren. Zuhause gab es regelmäßig Stress, wenn die Kanne mal wieder nur mäßig gefüllt abgeliefert wurde.


Ende des 19. Jhd. und Anfang des 20. Jhd. stieg der Bedarf an Milchprodukten stark an. Es bildeten sich Milchsammelstellen und später Milchgenossenschaften, die eng mit der Industrialisierung und dem technischen Fortschritt in der Milchverarbeitung verbunden sind.
Die Milchsammelstellen ermöglichten den Bauern die Produktion in größeren Mengen und den organisierten Weitertransport zur milchverarbeitenden Industrie.
Die erste bekannte Milchsammelstelle in Ludwigshafen war in der Hauptstraße im Hause Huber, direkt an der nördlichen Ecke Rathausstraße, bis sie später in der Sernatingenstraße im Haus Beilharz den Betrieb aufnahm. Zu dieser Zeit wurde die Milch gesammelt, mit Karren an den Bahnhof gefahren und dort in den Zug Richtung Milchwerk Radolfzell umgeladen. Pünktlichkeit war Trumpf, ansonsten stand die ungekühlte Milch im Wartesaal, was insbesondere im Sommer zu Problemen führte.

Nach Informationen von Ludwig Seeberger wurde im Jahre 1960 eine neue Milchsammelstelle im Johannes-Hüglin Weg gebaut, samt einem Warenlager der Zentralgenossenschaft Stockach.
Ludwig Seeberger sen. war seinerzeit Rechner und Lagerwart, Josef Ill war Vorstandsvorsitzender dieser Milch- und Warengenossenschaft Ludwigshafen. Ab dieser Zeit musste die Milch nicht mehr zum Bahnhof gekarrt werden, sondern ein LKW holte täglich die 40 Liter Kannen am Milchhäusle ab und fuhr sie zum Milchwerk Radolfzell. Jeder Landwirt konnte täglich seine Milch im Milchhäusle abgeben und jeder Bürger auch Milch dort abholen. In Erinnerung bleibt das einzigartige Kühlaggregat für die Milch, die über eine Serie von wassergekühlten Stangen von oben nach unten in ein Becken lief, von dort wieder nach oben gepumpt wurde – ein ewiger Kühlkreislauf. Es war ein faszinierendes Bild für die Kinder und Jugendlichen, die noch hautnah miterlebten, wie dieses Lebensmittel den Weg vom Stall in die Wohnhäuser fand. Fragt man heute Kinder nach der Herkunft der Milch, ist die Antwort oft unwissend, nämlich aus dem Kaufhaus und am besten noch von der Lilla Kuh.

Die Milchsammelstelle im Johannes-Hüglin Weg wurde 1973 aufgelöst und es folgte die Chemische Reinigung Gnädinger in diesen Räumlichkeiten. Ab diesem Zeitpunkt war die Milchsammelstelle am Hause Seeberger in der Radolfzeller Straße und wurde von einem LKW mit moderner Absauganlage abgeholt. 1988 war das Ende der Milchsammelstelle in Ludwigshafen, da es keine Milchlieferanten mehr gab – die Kuhställe waren verweist.
Das Warenlager der Außenstelle ZG Raiffeisen Stockach wurde von Ludwig Seeberger jun. weiterverfolgt, der es von 1971 bis 1988 führte. Aufgrund der fallenden Mitgliederzahlen der örtlichen Genossenschaft wurde diese 1988 aufgelöst und die Restbestände von der ZG Raiffeisen Stockach übernommen. Nach der Auflösung wurde das Gebäude verkauft und an gleicher Stelle entstand ein Wohnhaus, wie es heute noch zu sehen ist.

