Häflern war das Mausen in fremden Gefilden untersagt

Mit freundlicher Unterstützung von Hermann Rothenburger

Beim „Mausen“ kannten die Häfler in früheren Zeiten offenbar keine Grenzen. Sie suchten dazu gerne auch fremde Reviere heim und mausten dort so eifrig und hemmungslos, dass es ihnen verboten werden musste. Dass es -in diesem Falle- den Bürgern von Bonndorf nicht gleichgültig sein konnte, wenn sich Männer jeglichen Alters aus der Nachbargemeinde Ludwigshafen zum Mausen auf ihrer Gemarkung herumtrieben, ist allzu verständlich. Schließlich stand viel auf dem Spiel. Denn jeder Schwanz war Gold wert. Mausen war zeitweise ein in höchstem Maße einträgliches Geschäft. Die Rede ist von der Jagd auf Maulwürfe (=Scherrmäuse) und dem Handel mit ihren Pelzen! Ein Schelm, wer Böses dabei dachte.

Die SeeEnd-Geschichte vom „Scherrmuser“ hat Hermann Rothenburger in Erinnerung gerufen, dass er vor Jahrzehnten von einem Jagdkollegen eine Pressemeldung von November 1922 erhalten hatte, der interessante Einzelheiten zum Thema „Mausen“ in Zeiten der historischen Geldentwertung während der Weimarer Republik zu entnehmen sind.


Dort ist zu lesen, dass die hohen Preise für jeden erlegten Maulwurf, ca. 250-300 Mark pro Stück, alt und jung zum Mausen verlockt hätten. Da es in Bonndorf mehr zu Mausen gegeben habe als in Ludwigshafen, wären die Mauser von Ludwigshafen nach Bonndorf gekommen.

Die eifersüchtigen Bonndorfer-Mauser hätte sich deswegen beim Bürgermeister über die Ludwigshäfler-Mauser beschwert und die Ortsbehörde in Ludwigshafen aufgefordert, bekannt zu geben, dass das Mausen der Ludwigshäfler auf Bonndorfer Gemarkung fortan verboten sei, da die Bonndorfer dies selber könnten.

Es wurde sogar vorgeschlagen, die Mausjagden wie die Feld- und Waldjagden an den Meistbietenden zu verpachten, so wie dies andernorts bereits der Fall war.

Nicht nur für die Maulwurfjäger sei das Mausen ein lukratives Geschäft gewesen, so heißt es in jener Zeitungsmeldung weiter, sondern auch für jene, die mit den Erzeugnissen der „Mauser“ lieber Handel getrieben hätten, weil sie keine Freude am Mausen gefunden und sich vor „nassen Knien“ gefürchtet hätten. Manch einer von ihnen sei so in wenigen Tagen zu 10-20.000 Mark gekommen. Bei den „in den letzten Wochen“ schätzungsweise 1.000 zur Strecke gebrachten Maulwürfen a 250 Mark, sei demnach ein Gewinn von 250.000 Mark erwirtschaftet worden.

Zwei Monat später, also im Dezember 1922, lag der Preis schon bei 400 Mark pro Fell. Zwei Jahre zuvor, im März 1920 kostete ein Maulwurffell erst 25 Mark.

In den Nachkriegsjahren des Ersten Weltkrieges ab 1920 kam es zu einer zunehmenden Nachfrage nach Maulwurfpelzen. Ein Kolumnist der Zeitschrift „Hegauer Erzähler“ hat dafür eine einfache Erklärung. Er schreibt am 13.10.1922: „Seit aber Kriegsgewinnler, Neureiche und solche, die ihr leichtverdientes Geld zur Schau tragen wollen, auf den Gedanken kamen, aus dem zarten Pelze der Maulwürfe Kleidungsstücke für ihre putzsüchtigen Frauen herstellen zu lassen, hat eine geradezu wahnsinnige Verfolgung dieser Tiere eingesetzt.“

Hinzu kamen sicher auch die enorme Armut großer Bevölkerungskreise, die Opfer der beginnenden Inflation geworden waren, und Zeitungsmeldungen von fantastischen Gewinnen, die das Jagdfieber von Pelztierjägern weiter anheizten.

Ein Markdorfer Scherrmuser hätte am Gehrenberg innerhalb von 8 Monaten gegen 2.000 Stück Maulwürfe gefangen und damit mehr verdient als ein Beamter in einem ganzen Jahr, so die Stockacher Zeitung vom 27.11.1921. Und ein Familienvater, der sich wegen seines Hausbaus vor der Inflation mit 2.000 Mark verschuldet hatte, hätte aufgrund der Geldentwertung durch den Verkauf von nur 2 Maulwurffellen seine Schulden getilgt.

Es entwickelte sich eine regelrechte Goldgräberstimmung mit all ihren Konsequenzen. Knechte verließen ihre Höfe, um in der Maulwurfjagd ihr Glück zu versuchen. Ein Schuster in Bayern verlor durch einen Raubmord nicht nur 12.192 Mark, die er aus dem Verkauf von Maulwurffellen bei sich trug, sondern auch sein Leben.


Einige findige Mauser versuchten ihren Gewinn mit unlauteren Mittel zu steigern. Einer von diesen lieferte bei der Ortsverwaltung der einen Gemeinde den Schwanz und in einer anderen Gemeinde den Rest des Tieres ab, um die doppelte Kopfprämie einzustreichen. Ein andere hatte das Mausen längst eingestellt und Maulwurfschwänze, die er aus alten Filzhüten gefertigt hatte, zu Geld gemacht.

Die rassant steigenden Preise beruhten aber nicht allein auf dem marktwirtschaftlichen Prinzip von Angebot und Nachfrage, sondern spiegelt die gallopierende Inflation in den Jahren 1922-1923 wieder. Im Frühjahr 1922 stand der Dollar bei 184 Mark. Im Juli 1922 kostete er bereits 670 Mark, ein Monat darauf 1.725 Mark. Am Ende des Jahres war der Dollar gar 7.350 Mark wert. Im Jahr 1923 stürzte die Mark ins Bodenlose. Im Juli stand der Dollar bei 1.097.250,– Mark. Ende Oktober bekam man für ihn 72 Milliarden Mark. Am 12. November 1923 waren es dann schon 630 Milliarden Mark und eine Woche darauf 4 Billionen und 200 Milliarden !!!


Die Geldentwertung schritt so schnell voran, dass man mit dem Drucken neuer Banknoten nicht mehr nachkam und diese einfach überstempelte, manchmal sogar mehrfach.
Nach der Währungsreform fielen die Fellpreise dann wieder deutlich und lagen fortan bei 10 – 40 Pfennig das Stück. Das Mausen wurde dann nur noch als kleiner Nebenverdienst betrieben, oft von Kindern und Jugendlichen, dort wo der Maulwurf in der Landwirtschaft bekämpft wurde.

Eindeutig zweideutig!
Da mit dem Begriff „mausen“ sowohl eine lustvolle Freizeitbeschäftigung als auch eine mühsame Erwerbstätigkeit oder Dienstanweisung gemeint sein konnte, waren Missverständnissen nicht zu vermeiden. Manch einer fragt sich noch heute, was wohl ein ehmaliger Gemeindearbeiter, alias Feitschetoni, gemeint haben mag, als er eines schönen Tages in seinen Arbeitsbericht schrieb: „3 Stunden im Park gemaust.“
(Überliefert von Ignaz Strobel)

Was es zum Thema „Mausen“ noch zu sagen gibt

Scherrmuser waren findige Leute

Scherrmuser waren nicht etwa solche, die es im Leben zu nichts anderem gebracht hätten und mit Gelegenheitsarbeiten und kleinen Betrügereien ihren Unterhalt verdienten, wie der in späterer Zeit als Schimpfwort gebrauchte Begriff suggeriert. Auch wenn sich ein jeder mit dieser Tätigkeit befassen konnte, waren Scherrmuser lange Zeit bei Städten und Gemeinden fest angestellte, vereidigte Fachkräfte, die man sich leisten können musste.

Es war ein aus einer einfachen Bauernfamilie stammender und bei der Stadt Radolfzell angestellter Scherrmuser, Kaspar Löhle (1799-1878) aus Wangen, der als Erster die vorgeschichtlichen Pfahlbauten am Bodensee entdeckte und eine große Sammlung von steinzeitlichen Waffen und Geräten anlegte. Später arbeitete er bis zu seinem Lebensende als Gemeinderechner von Wangen.

Nützling oder Schädling – Schutz oder Bekämpfung

Die starke Dezimierung der Maulwürfe in den Jahren der Inflation hatte schlimme Folgen für die Forts- und Landwirtschaft. Erst sanken die Erträge beim Kartoffelanbau durch die massive Vermehrung von Engerlinge, die sich über die Knollen hermachten, und dann kam es zu unvorstellbaren Maikäferplagen, durch die ganze Bäume entlaubt wurden. „Ganze Waldabteilungen, insbesondere Eichenpflanzungen sind vollständig kahlgefressen“, berichtete der „Hegauer Erzähler“ am 27. Mai 1924.

Zum Einsammeln der gefräßigen Brummer wurden u.a Schulklassen abgeordnet. Man breitete teilweise unter den befallenen Bäumen Tücher aus wie bei der Zibarten- oder Olivenernte und schüttelte sie von den Ästen. Einmal auf dem Boden wurden sie rasch zertreten. Vielleicht geht das Kinderspiel „Maikäfertrëttë“, bei dem es darauf ankommt, den Mitspielende auf die Füße zu treten, ohne selbst getreten zu werden, auf diese Vorgehensweise zurück. Denn, wo viele Kinderfüße dicht an dicht auf Massen von Maikäfern treten, wird wohl versehentlich (oder mutwillig) auch einmal der Fuß eines anderen darunter gewesen sein. Die Maikäfer verschwanden, das Spiel ist geblieben.

Der Kilopreis für Maikäfer lag im Mai 1925 bei 12 Pfennig. Ein Mann, so schrieb das „Stockacher Tagblatt“ mit Datum vom 20.05.1925, soll an einem Tage eineinhalb Zentner abgeliefert haben und somit einen Tageslohn von 18 Mark erzeilt haben.

Seit der Antike wurde darüber diskutiert, ob Maulwürfe nun nützliche oder schädliche Tiere seien. Demzufolge gab es Zeiten, in denen sie streng geschützt, und andere, in denen sie erbittert verfolgt wurden. Auch Johann Peter Hebel brach eine Lanze für den kleinen Wühler und stellte 1807 klar, dass es sich im Hinblick auf Gebiss und Mageninhalt beim Maulwurf nicht um ein Nagetier und einen Wurzelfresser handeln könne, sondern um ein Insekten und Würmer vertilgendes „Raubtier“. Es wurden Hochrechnungen angestellt, nach denen die schätzungsweise in Württemberg jährlich gefangenen 540.000 Maulwürfe 2.367.828.000 Engerlinge und Maulwurfgrillen gefressen hätten.

Befürworter und Gegener beriefen sich dabei stets auf „wissenschaftliche Erkenntnisse“, so wie wir es auch in heutiger Zeit kennen. Ein Bauer der in einer Zeitung gegen den Schutz der Maulwürfe zu Felde zog und zu Protesten und zivilem Ungehorsam gegenüber dem Gesetzgeber aufrief, zitierte eine auf „wissenschaftlicher Gründlichkeit“ beruhende Untersuchung, veröffentlicht in der „Zeitschrift für Forst und Jagdwesen“ (Jahr 1919, Heft 4, Seite 190), die behauptet, dass der Maulwurf lieber Hungers stirbt, ehe er einen Engerling auch nur anrührt.“

Der Maulwurf – Ideengeber für den Spargelanbau

Obwohl sie den Nutzen der kleinen Haufenwerfer bei der Schädlingsbekämpfung durchaus wertschätzten, waren die Maulwurfhügel früher für Landwirte ein Flucht. Das Mähen der Wiese, sei es von Hand mit der Sense oder maschinell mit dem Messerbalken, wurde durch sie sehr erschwert.

Für die Liebhaber von Löwenzahn-Salat sind Maulwurfhaufen allerdings ein Segen. Denn wenn der Löwenzahn von der locker aufgeworfenen Erde überdeckt wird, entstehen wie beim Spargel- oder Chicorée-Anbau lange weiße bis hellgelbe Triebe, die weniger bitter schmeckten als die grünen chlorophyllreichen oberirdischen Blätter. Nur solche fanden Verwendung in Großmutters „haute cuisine“. In den Niederlanden wird aus diesem Grunde der Löwenzahnsalat auch „Maulwurfsalat“ (molsla) genannt. Haben wir es vielleicht dem Maulwurf zu verdanken, dass heute weißer Spargel auf unsere Teller kommen?

Der Maulwurf – Ein Schatzgräbergehilfe

In Zeitungen wurde verschiedentlich berichtet, dass durch die Tätigkeit der kleinen Tunnelgräber kleine, im Erdreich verborgene Kostbarkeiten wieder ans Tageslicht kamen. Ein Feldhüter aus Bruchsal entdeckte beim Einebnen von Maulwurfhaufen ein glänzendes Metallstück, dass sich nachher als zwei zusammengeklebte französische Goldstücke „Louis d’Or“ von 1726 und 1733 herausstellte. Andernorts fanden zwei Jungen einige Silbermünzen, die von einem Maulwurf an die Oberfläche befördert worden waren. Dadurch zu Nachgrabungen veranlasst, stießen auf insgesamt 100 Silbermünzen aus dem 17. Jahrhundert.


Postscriptum (P.S.)

Einige Ludwigshäfler und Ludwigshäflerinnen, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrunderts geboren wurden, erinnern sich noch an diese frivolen Verse:

Willst du einmal richtig Mausen,
fahre hin nach Zizenhausen.
Willst du es noch schöner haben,
fahr hinab nach Ludwigshafen.
Will es dir da nicht gelingen,
fahre durch bis Überlingen.

Über den Autor