Für unsere Großeltern und teilweise auch Eltern waren Kittelschürzen ein Stück Alltagsgeschichte, das ganze Generationen von Frauen begleitet hat. Sie waren einst das Symbol für Tatkraft, Fürsorge und Alltagskönnen. Die Schürze wurde früh morgens übergestreift und schützte die Kleidung beim Kochen und Putzen, im Garten, bei der Feld- und Stallarbeit. In einigen Regionen war sie auch ein allgegenwärtiges Kleidungsstück in Fabriken und Betrieben.
Ursprung der Kittelschürze ist Amerika und wurde während des Ersten Weltkrieges als praktische Hausarbeitskleidung propagiert, die Frauen bei der Arbeit im Haushalt unterstützen und gleichzeitig ein Gefühl von Professionalität und Hygiene vermitteln sollten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kittelschürze in Europa so richtig populär und verbreitete sich in vielen europäischen Ländern.
Auch bei uns am SeeEnde waren sie im Alltag nicht wegzudenken und auf vielen historischen Bildern sind Frauen mit diesem praktischen Kleidungsstück zu sehen.


Die Kittelschürze war ein echtes Multitalent – nicht nur im Gebrauch, sondern auch in ihrer Herstellung. Sie war pflegeleicht, strapazierfähig, kostengünstig und funktional. Den festen Stoff gab es oft mit floralen oder geometrischen Mustern, entweder bunt und fröhlich oder eher schlicht und dezent. Es gab sie mit Knopfleiste vorn oder hinten, Bänder zum Zubinden oder mit Reißverschluss. Es gab sie mit oder ohne Ärmel, mit Kragen oder Ausschnitt, mit Rüschen oder Paspeln und manchmal auch mit einem taillen-betonenden Gürtel. Lange Zeit war sie auch ein kleines modisches Statement und jede Frau hatte ihre Lieblingsvariante – manche geerbt, andere selbst genäht. Mit der Kittelschürze entwickelte sich auch eine neue Spezies – die Schürzenjäger. Angezogen von den verführerischen Kleidungsstücken, die nur vermuten ließen, was sich darunter verbarg und so manchen Don Juan zu einem romantischen Abenteuer aufreizte. Aber auch Enkelkinder fragten sich heimlich, was wohl außer in den großen, wunderbaren Taschen, sich noch alles auf der anderen Seite der Kittelschürze verbergen könnte. Mutige versuchten es zu erforschen, andere beließen es bei der Frage.
Allesamt waren sie weit mehr als praktische Arbeitsschürzen – sie waren ein Stück Zuhause, ein Zeichen von Fleiß und Fürsorge, manchmal auch ein bisschen Zauberei, sie waren Ausdruck einer stillen Eleganz, eines liebevollen Pragmatismus. In ihren Taschen steckten Wäscheklammern, Bonbons für die Kinder, ein altes Kuchenrezept oder ein Taschentuch für die Tränen. Mit der Schürze wurden nicht nur Kartoffeln geschält und Wäsche aufgehängt oder die Brotkrümel mit einer geübten Handbewegung in den Kittelschurz befördert und ins Freie getragen. Sie waren auch Einkaufstasche und Transportmittel für allerlei Dinge, wenn sie am unteren Ende geschickt wie ein Beutel zusammengebunden oder zusammengehalten wurde.

Sie verkörperte Geborgenheit und war ein Band zwischen den Generationen, denn die Schürze war Gehhilfe für die Kleinsten, hat Geschichten erzählt, getröstet und das Leben erklärt. Und irgendwann sagte die Mutter zur Tochter: „Kind, schlüpf doch mal in die Schürze, hilf mir beim Apfelkuchen“. Dann war klar, die Kittelschürze war in der nächsten Generation angekommen.
Mit der Frauenbewegung ab den 1970er-Jahren und dem Wandel der Rollenbilder verlor die Kittelschürze an Bedeutung. Sie wurde zunehmend als Symbol der traditionellen Hausfrauenrolle gesehen und verschwand langsam aus dem Alltag.
Inzwischen erlebt sie ein kleines Comeback – als Retro-Mode, als ironisches Accessoire oder liebevoller Verweis auf vergangene Zeiten. Junge Designer greifen darauf zurück und manche tragen sie wieder bewusst als Zeichen von Selbstbestimmung und Stolz auf weibliche Alltagskultur. Die Kittelschürze hat eine faszinierende Wandlung durchlebt – von der Alltagsuniform zur nostalgischen Ikone. Vor allem aber ist und bleibt sie eine liebevolle Hommage an unsere Mütter und Großmütter, die sie über Jahrzehnte hinweg getragen haben.