Opas Medienlandschaft

Fury, Lassie, Flipper und Raumpatrouille

Ohne Scheiss, Kinder, ganz im ernst, „real talk“: Es gab sie wirklich, die Zeiten ohne Smartphone und Internet. Ich kann das bezeugen. Ich war dabei. Es war die Zeit, als Opa und Oma noch ganz jung waren; Mitte des letzten Jahrhunderts oder kurz danach. Damals gab es diese kleinen Geräte für die Hosentasche noch nicht, mit denen man seine Freunde live auf einen Bildschirm beamen, tausend Spiele spielen und überall und jederzeit auf das gesamte Wissen der Menschheit zugreifen kann, vorausgesetzt man spricht u.a. auch Chinesisch. Nix dergleichen, nicht einmal in Science-Fiktion-Filmen gab es das.

Bei uns -ihr merkt, jetzt spricht einer dieser Opas,- bei uns gab es keine langen Diskussionen mit Eltern und anderen Pädagogen darüber, wieviel Stunden Medienzeit täglich gut für Körper und Geist sind. Eine, zwei, vielleicht drei Stunden oder gar „open end“ ganz nach Selbsteinschätzung. Diese Frage war rasch geklärt. Es gab nämlich in der Haldenhofstraße damals genau einen Fernseher, der für uns Kinder zugänglich war, und der stand bei der Frau Sprissler im Wohnzimmer. Dort trafen wir uns alle, einmal (!) in der Woche ca. eine halbe (!) Stunde lang und schauten Fury.

Später kamen noch andere Serien dazu, wie Lassie, Rin Tin Tin, Flipper und Raumpatrouillie. Da stand die „Glotze“ dann schon im eigenen Haus. Vor allem am Sonntag, wenn man sich schön anziehen musste und Spielen auf der Straße nicht angesagt war, wurde „geglotzt “ bis zur mentalen Erschöpfung. Kinderprogramm rauf und runter, samt Werbung bis zum Beginn der „Tagesschau“ um acht, dem definitiven Ende des Medienspektakels für das minderjährige Publikum. Es sei denn, beide Eltern waren außer Haus, was in meinem Falle so gut wie nie vorkam.


Noch früher, als es nicht einmal einen Fernseher gab

… da schaute man mit einem Kissen auf dem Fenstersims in die Ferne, soweit das Auge reichte, bis zum Ende der Straße auf der einen und der anderen Seite.

Wer in der Hauptstraße wohnte, hatte gewissermaßen einen Logenplatz. Da gab’s viel Bewegung, auch wenn es nur ein Auto war, das alle halbe Stunde vorbeifuhr.

Die Haldenhofstraße war auch nicht schlecht. Man könnte sagen, Parkett. War sie doch die nördliche Einfallstraße zum Dorfzentrum mit Rathaus, Schule, Kirchen, Gasthäusern und der „Einkaufsmeile“. Da ging einiges auf und ab.

Olga Reuthebuch, war dort die letzte Person, die diesen Brauch bis ins hohe Alter pflegte. Noch als ihr Augenlicht fast erloschen war, lehnte sie sich von Zeit zu Zeit auf’s Fensterbrett und konzentrierte sich auf die sinnlichen Eindrücke, die ihr möglich waren. Die Wärme der Sonne, das Geschwätz der Spatzen, den Duft der Blüten, den Dieselgeruch der Traktoren. Und dabei freute sie sich über einen gelegentlichen Gruß von einem der wenigen verbliebenen Bekannten, die vorbeigingen.

Ähnliche Vorzüge wie die Haldenhofstraße bot der südliche Zubringer, die Sernatingenstraße, die heute im Sommer das absolute Highlight darstellt, wenn sich Massen von skurilen Touristen rauf und runter wälzen. Dort begegne ich heute noch gelegentlich einem freundlichen Gesicht, das diese alte Tradition aufrecht erhält.
Die Mühlbachstraße und andere Nebenstraßen hatten dagegen wenig zu bieten, hintere Ränge gewissermaßen. Außer Wetterbeobachtungen und Cat&Dog-Watching, gab’s dort, wie ich vermute, nicht allzu viel zu sehen.

So war es damals in der Medien-Steinzeit.

Was hätten wir gezockt, geviewed, gepostet und gespamt, wenn wir nur gekonnt hätten. Aber wir hatten Glück. Weil die digitalen Medien und die virtuellen Welten noch nicht erschaffen waren, mussten wir gezwungener Maßen unseren Spaß im analogen und realen Leben suchen. Und das war schön und gut.

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