Hermes der schlaue Götterbote

Viele Menschen denken beim Begriff „Hermes“ sofort an den motorisierten Paketboten mit seinem blauen „Flügel-Logo“. Nicht von ungefähr hat sich der Logistik- und Versandkonzern den Namen des griechischen Gottes und Götterboten ausgesucht. Hermes ist in der griechischen Mythologie Gott der Kaufleute, der Reisenden, des Verkehrs, der Diebe und der Redekunst. Er gehörte zum Kreis der zwölf Olympischen Götter und wurde von Göttervater Zeus und der Plejade Maia geboren.

Schnelles Reisen, schnelles Denken und gewitzte Rede werden ihm nachgesagt und Hermes gilt allgemein als besonders schlau und vielseitig. Eines seiner wichtigsten Symbole, an denen er auf Bildnissen meist zu erkennen ist, ist der „Caduceus-Stab“ (auch Hermes-Stab genannt) als Schutzsymbol für Boten bzw. auch als Friedenssymbol. Genauso wichtig sind die Flügelschuhe, die auf eine flinke und mühelose Bewegung hinweisen. Außerdem sind auch die Symbole des breitkrempigen Hutes, der dem Reisenden Schutz vor Wind und Sonne bietet, sowie eine Schriftrolle zu finden, diese im Sinne von gewandter Sprache, der Beredsamkeit und Kenntnisse der Schrift. Der Vater aller Dolmetscher und Händler, des Verkaufens und Betrügens ist Hermes damit ebenfalls. Betrug entwickelte sich bekanntlich ja erst mit der Sprache.

Mit der Einweihung des Bürger und Gästezentrum Zollhaus im Jahr 1993 wurde die Hermes Säule von der in Bodman wohnenden Künstlerin Hanna Sieke entworfen und aufgestellt. Leider wird dieser Säule nur von wenigen Spaziergängern die angemessene Beachtung geschenkt und fälschlicherweise oft als ein Werk von Peter Lenk aufgefasst. Dabei hat dieses Kunstwerk eine tiefere Bedeutung und ist mit seiner Darstellung inhaltlich stark mit der Geschichte der SeeEnd-Gemeinde, sowie den umliegenden Handelsbeziehungen und der Kleinstaaterei Deutschlands verwoben.  

Die Säule steht an dieser Stelle aufgrund der bemerkenswerten Handels- und Verladeachse des 19. Jahrhunderts, über Jahrzehnte geprägt durch Schifffahrt und Eisenbahn. Die Hermes-Statue, mit seinen wichtigen Erkennungssymbolen Flügel und Heroldsstab, ist so ausgerichtet, dass er die Oberseelinien in Form der friedenschließenden Schlangen, zwischen Konstanz und Ludwigshafen, darstellt und diese betonen soll. Denn die Beziehung beider Ortschaften war durch den rivalisierenden Warenumschlag im jeweiligen Seehafen oft getrübt. Der sich reckende Hermes, mit dem über den Kopf verschränkten Armen, lässt die ornamental geformten Schlangen zeichenhaft über sich schweben, während der Hermesflügel, der normalerweise an seinen Füßen zu sehen ist, aus der Stirn heraus nach Norden weist. Der kraftstrotzende Torso bildet eine Einheit mit der Vierkantsäule, die kunsthistorisch vergleichbar ist mit den Baustielanordnungen auf griechischen Märkten und somit ein Zeichen für den früheren Kaufmannsgeist. Auf dem kräftigen kubischen Körper sitzt das Haupt, mit einem durchaus schelmischen Gesichtsausdruck (göttische Schläue). Gezogene Linien an beiden Seiten des Korpus symbolisieren das spiegelnde Sonnenlicht am Überlinger Seeufer. Das linke offene Auge wacht über dem liebreizenden SeeEnde der Doppelgemeinde. Mit dem geschlossen rechten Auge will er für Geschichtserinnerungen dieses historischen Platzes die Fantasie anregen und auf seine eigene Bestimmung als Schützer der Reisenden und Götterbote zwischen Himmel und Erde hinweisen.  

Auf dem See zugwandten Schild ist zu lesen: Begleiter der Reisenden im Diesseits und Jenseits, der Kaufleute, Schelme und Diebe. Geflügelter Götterbote mit dem Zeichen friedenschließender Schlangen.
Auf der Gegenseite ist zu lesen: 1836-38, Bau des Großherzoglich Badischen Hauptzollamtes. Renovierung und Umbau zu einem Bürger- und Gästezentrum 1990-1993.
Ebenfalls zu erkennen ist die Oxidationslinie knapp über dem ersten Drittel des Schildes, entstanden durch das Hochwasser am 24.05.1999 (siehe Bericht Mitunter „Land unter“).

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