Der Metzgerbuckel – Schönstes Schlachtfeld aller Zeiten

Der Metzgerbuckel hieß nicht etwa so, weil er der „Kriegsschauplatz der Knöpfen“ war, wo wir Grundschüler in den 60er Jahren so manches „Gemetzel“ angezettelt haben, weshalb diese Bezeichnung natürlich naheliegend wäre.
Er hieß so, weil dort, wo sich heute das Haus Am Hohlenweg 2 drei Stockwerke hoch, Balkon gesäumt und unübersehbar in die Höhe reckt, früher die bescheidene, hinter Büschen versteckte Wohnstatt der Familie Metzger befand, wenig größer als ein modernes Kleingärtnerhäuschen. Heute hätte sie sich als zukunftsweisendes „Tiny-Haus“ hervortun können; damals wurde sie eher als „Hütte“ oder „Baracke“ empfunden.

Diese exponierte Anhöhe am Waldrand, von der man einen herrlichen Panoramablick auf das Seeende hat, war von Zeit zu Zeit der Aufmarschplatz von uns kampfeslustigen Pimpfen.

Wenn morgens in der Schule die rivalisierenden Dorfbanden die Parole ausgaben: „Heute Mittag Schlacht auf dem Metzgerbuckel!“, dann galt es, nach dem Mittagessen schnellstens alle Scheunen, Ställe, Kammern zu durchsuchen, um ein möglichst umfangreiches Arsenal an furchterregenden Waffen zusammenzustellen. Peitschen, Geiseln, Ochsenziemer, Dreschflegel und was es sonst noch so aufzutreiben gab. Einmal kam selbst eine chemische Waffe zum Einsatz. Wir banden Schwefelstreifen, die zum desinfizieren der Mostfässer verwendet wurden, an lange Stöcke und zündeten sie an. Der beißende Rauch der schwelenden Plättchen sollte die Feinde auf Distanz halten, vorrausgesetzt die Windrichtung stimmte.

Das Wichtigste an der ganzen Sache war immer das Säbelrasseln und Imponiergehabe. Wieviel Kämpfer konnten aufgeboten werden, wie imposant war das Waffenarsenal, wie mutig und entschlossen wirkte die Truppe. Damit war es dann aber meistens auch schon getan. Wir hatten, ohne auf der Militärakademie gewesen zu sein, bereits die friedensstiftende Wirkung, die paradoxerweise von Wettrüstung und Abschreckung auszugehen scheint, erkannt.

Vielleicht kam es noch zu dem einen oder anderen Scharmützel, einem kurzen Ringkampf, etwas Herumgeschubse oder zu ein paar verbalen Angriffen. Aber in einer wilden Brügelei mit blutigen Nasen und blauen Augen artete es niemals aus. Und das war auch gut so, denn wir mussten uns ja am nächsten Tag in der Schule wieder in die Augen sehen können und mit einander auskommen.

Was sonst noch so auf dem Programm stand

Natürlich befanden wir uns nicht immer auf dem Kriegspfad, sondern vertrieben uns in Friedenszeiten die Tage auch mit einer Menge anderer Spiele, die heute in Vergessenheit geraten sind. Spiele, für die man nicht mehr brauchte als eine autofreie Straße, ein Scheunentor (Hauswände waren weniger geeignet, weil sie keine klare Abgrenzung hatten und es Ärger gab, wenn man sie verschmutzte), ein Stück Kreide oder ein spitzes Stöckchen zum Anzeichnen einer Spielfläche, einen Ball, einen flachen Stein, oder ein paar Holzscheite.

Einige dieser Spiele wollen wir hier ausführlich beschreiben. Vielleicht finden sich ja Kinder, die nachempfinden wollen, was ihren Großeltern Spaß gemacht hat, als sie noch jung und knackig waren.

Ländle stehle

Mit Kreide oder einem Stöckchen, je nach Untergrund, wurden für jedes Kind in einer Reihe Rechtecke oder Quadrate von etwa 3 x 3 Schritte gemalt. Jedes Kind gab seinem Spielfeld einen Ländernamen. Wer an der Reihe war, warf den Ball in die Luft und rief einen Ländernamen. Das Kind, dessen Land gerufen wurde, musste den Ball so schnell wie möglich fangen, während alle anderen schnell wegliefen. Sobald es den Ball gefangen hatte, rief es „Stopp“ und alle „Landbesitzer“ mussten stehen bleiben. Von der Stelle, wo es den Ball gefangen hatte, durfte es noch 3 Schritte in Richtung des Kindes machen (wenn nötig mit Anlauf), das es nun versuchte, mit dem Ball abzutreffen. Das anvisierte Kind durfte sich dabei nicht von der Stelle bewegen. Traf der Werfer, durfte er ein Stück vom Land des getroffenen Kindes abschneiden. Traf er nicht, verlor er ein Stück seines eigenen Landes. Wieviel abgeschnitten werden durfte, blieb dem Sieger überlassen. Hier waren Verhältnismäßigkeit und Voraussicht gefragt. Denn irgendwann würde sich das Schicksal wenden … und Rache ist Blutwurst. Derjenige, der Land verloren hatte, begann die nächste Runde. Wenn man es für günstiger hielt, konnte man sich zu Beginn des Spieles nun auch auf einem der gestohlenen Stücke platzieren. Wer sein gesamtes Land verloren hatte schied aus. Sieger war, wer am Ende noch am meisten Land besaß.

Ochs am Berg

Ein Kind war der „Ochs“, der mit dem Gesicht zum Scheunentor stand. Etwa zehn Meter hinter seinem Rücken stellten sich die übrigen Mitspieler in einer Reihe auf. Die Startlinie wurde markiert, damit immer alle vom gleichen Punkt aus begannen. Jetzt rief das Kind laut, so oft es wollte und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit „ Ochs am Berg – Ochs am Berg – Ochs am Berg – …..“. Während dessen bewegten sich die anderen auf das Scheunentor zu. Sobald es letztmalig das  Wort „Berg“ rief, drehte es sich ganz schnell um. Die anderen mussten dann sofort wie versteinert stehen bleiben. Wer sich doch bewegte oder wackelte und dabei vom „Ochs“ erwischt wurde, musste entweder zurück an die Startlinie oder kam mit einer milderen Strafe davon und musst nur einige Schritte zurückgehen. Das Kind, das den „Ochs“ am Ziel als Erstes erreichte, durfte seinen Platz übernehmen und alles ging von vorne los. Hier kam es auf Ehrlichkeit und Gerechtigkeit an, wenn es keinen Streit geben sollte.

Kaiser wie weit darf ich reisen

Ein Spieler, der Kaiser, stand an einem Ende des Spielfeldes, meist mit dem Rücken an einem Scheunentor (damit er sich nicht weiter nach hinten bewegen konnte). Die restlichen Spieler standen ihm gegenüber in einiger Entfernung. Reihum stellte jeder Spieler die Frage: „Kaiser, wie weit darf ich reisen?“ Dieser antwortete mit einer beliebigen Anzahl und einer frei gewählten Maßeinheit bzw. Schrittart, also z.B. Riesenschritte, Hennedeppele, Hüpfer auf einem Bein, etc. Der Spieler durfte nun die „befohlene“ Schritt-Anzahl in der vorgegebenen Weise erfüllen. Wer es auf diese Weise als erstes zum Kaiser schaffte, durfte seine Rolle in der nächsten Runde spielen. Bei diesem Spiel wurde rasch klar, wie die Sympathien gelagert waren, und man konnte sich darin üben, mit Benachteiligung zurecht zu kommen.

Stekkle umwerfe

Das war ein Versteckspiel mit einer Besonderheit. Der Sucher musste auf der Straße erst drei Holzscheite (Stekkle) in der Form eines Indianerzeltes aufbauen. In dieser Zeit konnten sich die anderen verstecken.

Damit entfiel der bekannte Spruch:
Eins, zwei, drei, vier Eckstein, alles muss versteckt sein.
Hinter mir, vor mir, über mir, unter mir gilt es nicht,
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn – ich komme!

Entdeckte der Sucher jemanden, musste er zum Startplatz zurücklaufen, den Fuß vorsichtig zwischen die Holzscheite schieben und den Gesuchten „abschlagen“. Fielen die Stekkle dabei um, waren alle abgeschlagenen Kinder wieder frei und konnten sich erneut verstecken. Gelang es einem Kind, vor dem Sucher bei den Stekkle zu sein, konnte es sie soweit es ging, wegkicken und damit die abgeschlagenen Kinder erlösen. Während der Sucher die Stekkle wieder auflesen und zusammenbauen musste, konnten sich alle Kinder wieder verstecken oder ihr Versteck wechseln. Mit dem Suchen wurde abgewechselt.

Jukketles

Im Internet zu finden unter dem Namen „Himmel und Hölle“

Mit Kreide wurden Kästchen in einer bestimmten Anordnung auf den Asphalt gemalt oder mit einem Stock in die Erde geritzt. Ein Stein wurde nacheinander in alle Kästchen geworfen, beim ersten Wurf in das Feld 1, beim zweiten in das Feld 2 usw. Die erste Spielerin stand vor dem Feld 1 und warf ihren Stein in das erste Feld. Blieb der Stein im Feld liegen, durfte sie jetzt auf einem Bein loshüpfen. Das Feld mit dem Stein musste immer übersprungen werden. In die anderen Felder musste den Nummern nach gesprungen werden. Hat man das oberste Feld erreicht, durfte man eine kurze Pause machen und auf beiden Beinen stehen. In den Doppel-Feldern galt es, einen Grätschsprung zu machen. Auf dem Rückweg stoppte die Spielerin vor dem Feld mit dem Stein, hob ihn auf -natürlich alles auf einem Bein- und hüpft zurück bis vor das Feld 1. Jetzt warf sie den Stein in das zweite Feld. Blieb er dort korrekt liegen, durfte sie in das Feld 1 hüpfen, musste das Feld 2 überspringen und danach das Spiel in der beschriebenen Weise fortsetzen. Machte die Spielerin einen Fehler, kam die nächste Spielerin an die Reihe. Fehler waren zum Beispiel, wenn der Stein nicht im richtigen Feld landete, beim Springen in ein falsches Feld gesprungen oder eine Linie berührt wurde oder das zweite Bein den Boden berührt hatte. Jede Spielerin merkte sich, bei welcher Zahl sie ausgeschieden war und durfte dort weitermachen, wenn sie wieder an der Reihe war.

Zehnerle

Die Kinder stellten sich in einem Abstand von 2–3 m vor eine Wand oder ein Scheunentor, warfen den Ball gegen die Wand und fingen ihn wieder auf. Wenn die Übung nicht genau durchgeführt wurde, oder wenn der Ball zu Boden fiel, hörte das Kind zu spielen auf. Wenn das Kind wieder an der Reihe war, durfte es dort beginnen, wo es aufgehört hatte. Die erste und einfachste Übung wurde zehnmal wiederholt, die zweite neunmal und jede weitere um einmal weniger. Mit jeder Übung wuchs der Schwierigkeitsgrad.

Die Aufgaben konnten zum Beispiel sein:
10 x den Ball an die Wand werfen, einmal auf dem Boden aufhüpfen lassen und fangen
9 x während der Ball in der Luft ist, einmal in die Hände klatschen
8 x während der Ball in der Luft ist, einmal vor und einmal hinter dem Körper in die Hände klatschen
7 x während der Ball in der Luft ist, dreimal in die Hände klatschen, vorne-hinten-vorne
6 x mit der rechten Hand hinter dem Körper vorbei gegen die Wand werfen
5 x mit der linken Hand hinter dem Körper vorbei gegen die Wand werfen
4 x mit der rechten Hand unter dem rechten Bein durch gegen die Wand werfen
3 x mit der linken Hand unter dem linken Bein durch gegen die Wand werfen
2 x mit beiden Händen rückwärts über den Kopf an die Wand werfen, dann umdrehen und ihn fangen
1 x während der Ball in der Luft ist sich einmal um die eigene Achse drehen

Maikäfer trete

Beim „Maikäfer trete“ ging es nur darum, den anderen Mitspielern auf die Füße zu treten und gleichzeitig zu verhindern, dass einem das selbst passiert. Heute spielt man etwas Ähnliches bei Kindergeburtstagen, ohne direkte Körperberührung, indem man den Mitspielern Luftballons an die Füße bindet, die von den anderen zum Platzen gebracht werden müssen. Am Ende gibt es dann dort einen klaren Sieger oder eine Siegerin. Bei uns wurde gespielt, bis es uns allmählich zu langweilig wurde oder uns die Füße weh taten.

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